Ungewisse Zukunft: Stadt Stuttgart will Spielhallen eindämmen, „eine Schließungswelle wird es aber nicht geben“, zumindest vorerst nicht. Foto: dpa

Weniger Spielhallen – das ist das klare Ziel der schärferen Variante des Glücksspielgesetzes, die von Samstag an gelten wird. In Stuttgart haben die Betreiber aller 121 Spielhallen Härtefallanträge gegen eine mögliche Schließung gestellt. Doch zur Bearbeitung fehlt der Stadt Personal.

Stuttgart - Der Landesgesetzgeber will die Spielhallen weiter eindämmen, und am 1. Juli wird die Gangart verschärft. „Eine Schließungswelle wird es zu diesem Zeitpunkt in Stuttgart aber nicht geben“, sagt der zuständige Jurist Albrecht Stadler im Amt für öffentliche Ordnung.

Viele Betreiber könnten aber auf längere Sicht schlechte Karten haben. Anfang Juli greift eine im Glücksspielgesetz des Landes vorgesehene Verschärfung, die auf einer Abstandsregel basiert. Spielhallen, die von Tür zu Tür weniger als 500 Meter entfernt sind, haben keinen Bestandsschutz mehr. Auch nicht die Spielhallen in unmittelbarer Nähe zu Kinder- und Jugendeinrichtungen oder Spielhallen, die zusammen in einem Gebäude sind.

Bundesverfassungsgericht gibt Gesetzgebern Rückendeckung

Erst Mitte April hat das Bundesverfassungsgericht dieses Herangehen gestützt. Nach vier Verfassungsbeschwerden von Spielhallenbetreibern in Berlin, in Bayern und im Saarland entschied es nämlich, dass die dort in ähnlicher Weise vorhandenen gesetzlichen Einschränkungen verfassungsgemäß seien. Sowohl das räumliche Abstandsgebot als auch das Verbot, verschiedene Glücksspielhallen in einem Gebäude zu betreiben, diene der Bekämpfung der Spielsucht und damit dem Gemeinwohl. Die Eingriffe seien daher gerechtfertigt, entschied der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts. Betreiber können gegen die Bescheide der Behörden vorgehen, auch in Stuttgart. Grundsätzlich sind Härtefallanträge möglich, denen die zuständige Behörde stattgeben kann, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Beispielsweise, wenn die Räume nicht anders zu nutzen wären oder große Investitionen noch nicht abgeschrieben sind – wenn also wirtschaftliche Härten auftreten würden.

Auf die Neuerung konnte sich jeder Betreiber einstellen, sie ist schon vor rund fünf Jahren bei einer Gesetzesänderung angekündigt worden. Die Frist für Härtefallanträge währte bis 28. Februar 2017 – und in Stuttgart wurden bis zum Stichtag Anträge für alle 121 Spielhallen gestellt. Mit den Bescheiden hapert es aber. Die Stadtverwaltung konnte sie nicht komplett bis zum 30. Juni verschicken. Sie hat zwar seit Jahren um die Zeitplanung gewusst, aber personell sei man für die Mehrarbeit nicht gerüstet gewesen, sagt Albrecht Stadler.

Bis zum Stichtag haben viele nur Zwischenbescheide

Die vorhandenen zwei Personalstellen für den Komplex Spielrecht reichen gerade für das übliche Pensum. Damit man über die Anträge entscheiden kann, müsse man mit ziemlichem Aufwand die Grundlagen schaffen und viele Unterlagen heranziehen. Das gehe so weit, dass manche Betroffene sogar um ihr Geschäftsgeheimnis fürchten. Bisher habe man erst wenige Bescheide verschickt, sagt Stadler, und zwar in Fällen, die recht einfach gelagert waren. Alle anderen Betreiber haben bis Ende Juni nur eine Art von Zwischenbescheid in Händen, der ihnen den Betrieb für eine Interimszeit erlaubt.

Die Ausgestaltung war längere Zeit ungewiss. Das Signal sollte auf jeden Fall sein, dass der weitere Betrieb auf Zeit gestattet ist, bis eine abschließende Prüfung stattgefunden hat. Aber auch nach der vorläufigen Schließung der Akten ist nicht gleich mit einer Schließungswelle zu rechnen.

In Außenbezirken geht die Umsetzung los

Den Bescheid können die Betroffenen beim Regierungspräsidium Stuttgart überprüfen lassen, danach gegebenenfalls ein Betriebsverbot auch beim Verwaltungsgericht anfechten – und notfalls in der nächsten Instanz. In dieser Zeit dürfen sie die Spielhallen weiter betreiben. Ganz spurlos dürften die gesetzlichen Verschärfungen an der Stuttgarter Spielhallenlandschaft am Ende aber nicht vorbeigehen. Der Gesetzgeber ziele mit der Abstandsregelung klar auf die Eindämmung und Schließungen, sagt Stadler.

Von den 121 Spielhallen in Stuttgart befinden sich 35 in einem 500-Meter-Umkreis. Da manchmal mehrere Spielhallen in einem Gebäude sind, geht es um 25 Standorte. Aber welche Spielhallen müssen dann im Lichte der neuen Gesetzeslage dichtgemacht werden? Das hängt auch davon ab, wie diese geführt werden und wie zuverlässig der Betreiber ist – von Kriterien, die schon immer zu beachten waren bei den Genehmigungen.

Im dichtesten Spielhallen-Dschungel das Gesetz umzusetzen und Bescheide zu erlassen ist besonders aufwendig. Deshalb kümmert sich das Ordnungsamt zunächst einmal um die Außenbezirke mit einer geringeren Spielhallendichte, beispielsweise in Untertürkheim und Wangen.

Verband warnt vor wegfallenden Arbeitsplätzen

Die Betreiber wittern längst Gefahr, können aber nicht richtig einschätzen, was genau auf sie zukommt. Die Signale aus den Kommunen im Land seien unterschiedlich, heißt es beim Landesverband der Automatenunternehmer. Manche Städte wollten allen Anträgen stattgeben, andere würden einen Handel ansteuern und noch vier Jahre Betrieb zulassen, um Klagen abzuwenden. Die Konsequenzen in Stuttgart könne man noch nicht recht einschätzen. Klar sei nur, dass die Stadt die Anträge bis Monatsende nicht abschließend bearbeiten könne. Die Unternehmer seien im Ungewissen und könnten kaum planen. Ginge es streng nach dem Gesetz, könnten am Ende 60 bis 80 Prozent weniger Spielhallen im Land übrig sein, sagt Alfred Haas, ein Funktionär des Verbandes. Im Land seien dadurch 5000 bis 7000 Arbeitsplätze bedroht.