So sehen Zirkusliebhaber aus (v.li.): Ulf Körber (Vizepräsident der Gesellschaft der Circusfreunde), Gerold Eichert und Dieter Wohlfarth. Eichert und Wohlfarth bauen leidenschaftlich gerne Zirkusse nach. Foto: Köhler

Die Gesellschaft der Circusfreunde liebt die Welt der Manege - im Zirkus ebenso wie zu Hause.

Stuttgart - Ein wahrer Zirkusfan lässt sich so beschreiben: Seine Augen beginnen zu leuchten, wenn er über Zirkus spricht. Er besitzt mehr als 5000 Programmhefte, viele Zirkusbücher und DVDs. Wenn er in den Zirkus geht, stellen sich bei ihm die Nackenhaare auf. Vor Vorfreude. Das passiert 80 Mal im Jahr und in ganz Europa. Außerdem stehen bei ihm zuhause nachgebaute Zirkusmodelle, im Wohnzimmer, im Arbeitszimmer, oder unterm Dach.

Diese Beschreibung trifft in etwa auf Ulf Körber (70) zu. Er ist Vizepräsident der Gesellschaft der Circusfreunde (GDC) und Vorsitzender der Sektion Stuttgart. Bei den Mitgliedern Gerold Eichert (60) und Dieter Wohlfarth (74) sieht die Leidenschaft kaum anders aus. Sie unterscheidet sich nur darin, dass die zwei Männer bloß 20 Mal im Jahr einen Zirkus besuchen. „Mein Vater war total verrückt nach Zirkus“, sagt Eichert, „er hat nur den Fehler gemacht und nichts gesammelt“. Das holt der Zirkusfreund seit 54 Jahren nach.

Circusmodelle werden ständig aktualisiert

Seine Mini-Zirkusse stehen zuhause im obersten Stock. Mit sechs Jahren baute er sie aus Pappkartons, heute benutzt er Plastik, Blech, Holz und Stoff. Manchmal kauft er sich einen Bausatz. Anders als Wohlfarth aktualisiert Eichert seine Minimodelle, sobald das Vorbild sich verändert. Das machen viele GDC-Mitglieder so.

Wohlfarth nicht. Er bevorzugt den Zirkus der 1960er Jahre. Und er besitzt einen restaurierten Zirkuswagen. Sechs Meter lang, drei Meter hoch. Weil der Wagen nicht in die heimische Garage passt, steht er in einer Scheune im Nachbarort. Zu feierlichen Anlässen wie Hochzeiten oder Geburtstagen verlässt der Wagen die Scheune. "Er ist nämlich als Bar eingerichtet." Von den Festen, die darin schon gefeiert wurden, könnte er stundenlang erzählen. Natürlich auch vom Zirkus und wie er zu der Leidenschaft kam.

Das Haus seines Großvaters stand neben einer Festwiese, auf der regelmäßig ein Zirkus gastierte, erinnert sich Wohlfarth. Schnell war es um ihn geschehen. Auch seine Tochter und die Enkel hat er angesteckt. Wenn sie um Erlaubnis fragen, dürfen sie mit seinen Zirkusmodellen spielen. Aber nur dann. Wohlfarth lacht.

Die Zirkusfreunde wollen die Circus- und Artistenkultur fördern und erhalten

Die Zirkusfreunde wollen die Circus- und Artistenkultur fördern und erhalten

In Stuttgart haben sich 100, weltweit 2000 Menschen in der GDC zusammengefunden, weil die Liebe zur Manege sie verbindet. Vor 56 Jahren wurde die Gesellschaft gegründet. Die Mitglieder sammeln nicht nur „alles, was wir kriegen können“, sie treffen sich auch und tauschen sich aus. Es sei die Kombination aus Artistik, Tieren, Clownerie und Musik, die reize, versucht Körber die Leidenschaft in Worte zu fassen. „Allein die Tiere in Bewegung zu sehen, bringt Freude.“

Die Zirkusfreunde wollen die Circus- und Artistenkultur fördern und erhalten und dabei helfen, die Historie und kulturelle wie soziologische Bedeutung des Zirkus zu erforschen. Die Sektion Stuttgart sitzt jeden letzten Freitag im Monat zusammen. Meistens stehen Vorträge auf dem Programm. Mal kommt ein Artist, mal ein Zirkusdirektor, mal ein Steuerberater eines Zirkusses. Die Mitglieder, sagt Körber, sollen was lernen.

„Das Thema Tiere im Zirkus steht bei uns ganz oben“

Die GDC setze sich ebenso für die Interessen des Zirkusses ein, auf politischer und kommunaler Ebene. Und sie reagiert, wenn Organisationen gegen Zirkusse wettern. Zum Beispiel beim Tierschutz. „Das Thema Tiere im Zirkus steht bei uns ganz oben“, sagt Körber. Er weiß, dass viele Menschen glauben, die Tiere werden schlecht behandelt. „Falsch.“ In Deutschland gebe es Leitlinien, die die Haltung und Ausbildung der Tiere regeln. „Ein großer Zirkus kennt sich damit aus. Einem kleinen Zirkus helfen wir, die Leitlinien umzusetzen und den Tierschutz zu optimieren.“

Viele Zirkusprogramme schauen die Männer sich mehrmals an. „Nach fünf Mal erkennt man die Feinheiten“, sagt Wohlfarth. Sie sitzen immerhin als Fachleute im Publikum. Sie erkennen, wenn die Leistung eines Artisten nachlässt, oder das Licht die Manege schlecht ausleuchtet. „Eine gute Nummer begeistert einen immer wieder.“

Da die Programme sich oft ähneln, achten die Zirkusfreunde darauf, wie zeitgerecht eine Nummer verpackt und wie sie aufbereitet ist, technisch und künstlerisch. Wird die Artistin mit den Hula-Hoop-Reifen von Musik begleitet oder von einem Ballett? So interpretiere man jedes Programm anders. Auch der Sitzplatz entscheide, wie man eine Aufführung wahrnimmt. „Das ist wie im Theater“, sagt Körber. Eichert fügt hinzu: „Wenn ich zum zweiten Mal ein Programm sehe, weiß ich, an welcher Stelle ich besonders aufmerksam sein muss. Das bringt Feuer ins Erlebnis.“