Daten der europäischen Satelliten aus dem Copernicus-Programm werden zunehmend auch von Firmen genutzt – unter anderem, um das australische Great Barrier Reef zu analysieren (unten). Auf dem Bild oben ist der Schnee am Gipfel des Ätna blau eingefärbt, um ihn von Wolken unterscheiden zu können. Foto: ESA

Mit der Möglichkeit, zahlreiche Daten aus der Weltraumforschung weiter zu nutzen, entstehen weltweit interessante Startups. In diesen Tagen berät die Branche, wie auch Deutschland in der Satellitenkommunikation international mithalten kann.

Stuttgart - Wenn es um die Ankündigung spektakulärer Vorhaben mit ehrgeizigen Zeitplänen geht, dann kann dem US-Milliardär Elon Musk und seinem Raumfahrtunternehmen SpaceX niemand das Wasser reichen. Das zeigte sich kürzlich erneut, als er ankündigte, sein Unternehmen SpaceX werde 2018 die hauseigene Transportkapsel Dragon mit zwei zahlenden Weltraumtouristen zum Mond bringen.

Es gibt gute Gründe, skeptisch zu sein: Die Dragon-Raumkapsel ist bisher nur unbemannt zur Raumstation ISS geflogen. Dass sie auch bemannte Flüge zum Mond sicher bewältigt, ist noch lange nicht gesagt. Der erste bemannte Testflug war ursprünglich für 2014 geplant, hat aber bis heute nicht stattgefunden. Das gleiche gilt für die große Schwester der „Falcon 9“-Rakete. Auch ihr erster Start wird seit drei Jahren immer wieder verschoben. Selbst wenn er, wie zurzeit geplant, im Herbst tatsächlich erfolgen sollte, ist die Riesenrakete binnen eines Jahres wohl kaum ausgereift genug für einen Start mit Astronauten an Bord.

Die Risikokapitalgeber sind meist aus dem Silicon Valley

Dennoch scheint es bis heute, als würden Elon Musk und eine Handvoll weiterer Pioniere den Innovationstakt in der privaten Raumfahrt angeben. Glaubt man Analysen von Beobachtern wie etwa Bryce Space Technology, zeichnet sich im Windschatten der glamourösen Frontfiguren tatsächlich ein neues Wachstum im unternehmerisch geprägten New Space ab, das nachhaltig zu sein scheint: Bryce zufolge wurden im Jahr 2015 2,3 Milliarden US-Dollar im Bereich Raumfahrt investiert – das ist mehr als in den 15 Jahren zuvor. Der weitaus größte Teil dieser Investitionen stammt von Risikokapitalgebern aus dem Silicon Valley und kam US-Firmen zugute. „Europäische Firmen gibt es in dem Ökosystem der privaten Raumfahrtindustrie praktisch nicht“, bedauerte der französische Think Tank Astères vor einigen Monaten: „Europas Raumfahrt braucht mehr Unternehmer und private Investitionen.“

Tatsächlich wird man in Europa vergeblich nach einem Unternehmer suchen, der bereit und finanziell in der Lage ist, 17 Jahre lang in die Entwicklung eines Produktes zu investieren, ohne einen Gewinn zu sehen – so wie es Jeff Bezos als Gründer von „Blue Origin“ getan hat. „Die weltweit einzigartige Kombination von Venture Capital und Unternehmertum an der US-Westküste ist zum Taktgeber der kommerziellen Raumfahrt geworden“, heißt es auch in einer Studie, welche die Münchner Unternehmensberatung Spacetec Partners von Rainer Horn für das Bundeswirtschaftsministerium erstellt hat. Ziel der Studie war es, neue Geschäfts- und Finanzierungsmodelle zu untersuchen, um zu prüfen, wie man mit der Entwicklung Schritt halten könnte.

Mit New Space werden die Karten neu gemischt

Im New Space Sektor, schreiben Rainer Horn und seine Kollegen, gehe es nicht so sehr um neue Technologien, sondern vor allem um die konsequente Umsetzung von Geschäftsmodellen: „Mit New Space werden die Karten in der Raumfahrt neu gemischt. Ein Zulieferer von heute kann morgen schon die Systemkompetenz haben und zu einem globalen Spieler aufsteigen.“

Deshalb brauche die beschleunigte Kommerzialisierung ein neues Unternehmertum. Eine Alternative zum amerikanischen System sehen die Berater von Spacetec durchaus: Sie raten vor allem zu einer branchenübergreifende Vernetzung, etwa mit Firmen aus dem Maschinenbau. Diese Strategie stößt offenbar auf Gegenliebe, wie eine Umfrage des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter Firmen aus der Automobilbranche zeigt. Demzufolge halten 75 Prozent der befragten Firmen eine solche Zusammenarbeit für sinnvoll. Satelliten werden für die zunehmende Vernetzung von autonomen Fahrzeugen aller Art, aber auch für das Internet der Dinge unverzichtbar sein.

Die kostenlos nutzbarem Daten warten auf viele Anwendungen

Welches Potenzial Daten aus der Raumfahrt bieten, hat auch der Softwarekonzern SAP erkannt: Seit knapp zwei Jahren arbeiten Entwickler daran, die Datenmengen aus dem Copernicus-Erdbeobachtungsprogramm aufzubereiten, das von der Europäischen Union finanziert und von der Europäischen Weltraumbehörde Esa betreut wird. Das Besondere an diesem Programm ist: Die Esa stellt die Daten kostenlos jedem interessierten Nutzer zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung. „Jetzt, wo die Konstellation vollständig ist, warte ich mit Spannung auf die vielen neuen Anwendungen“, sagte Josef Aschbacher, der die Erdbeobachtung der Esa leitet, kürzlich beim Start des zweiten Sentinel-Satelliten „Sentinel-2“.

Die Rohdaten, die von den Satelliten auf mehreren Frequenzen gesendet werden, werden mit Hilfe der cloudbasierten Hana-Plattform von SAP aufbereitet. Im Januar ging dieser neue Dienst namens SAP Earth Observation Analysis Service an den Start. Mehr als 1200 Anwender nutzen bereits die Möglichkeit, die aufbereiteten Daten weiterzuverarbeiten. Darunter sind auch eine Reihe von Startups, die in den sogenannten Inkubationszentren der Esa betreut werden. Dabei handelt es sich um eine vielfältige Mischung, wie sie auch der jüngste Bericht des Wirtschaftsministeriums beschreibt – eine Mischung aus „neuen digitalen Dienstleistungen, innovativen Drohnenanwendungen oder privaten Raumfahrtprojekten“.

Ein Ökosystem für innovationen

Indem man ein Ökosystem für Innovationen schaffe, könnte man die Weiterentwicklung aller Beteiligten beschleunigen, sagt Carsten Linz, der bei SAP das Center for Digital Leadership leitet. „Es geht nicht um Big Data, sondern um smart Data, also darum, die richtigen Daten zu finden.“ Linz ist zuversichtlich, dass die Startup-Szene hierzulande im internationalen Wettbewerb Schritt halten kann.

Zuversichtlich ist auch Rainer Horn, der mit seiner Studie für das Wirtschaftsministerium den Anstoß lieferte, die Vernetzung der Firmen weiter voranzutreiben – etwa durch Wettbewerbe. Das notwendige Fachwissen und die Technologien seien in Deutschland vorhanden, sagt er: „Vor 50 Jahren war die Raumfahrt Wegbereiter der IT. Heute ist es umgekehrt die Informationstechnologie, die die Raumfahrt antreibt.“