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Die Bundesregierung will die Prozesskostenhilfe einschränken. Am diesem Donnerstag berät der Bundestag erstmals über einen Gesetzentwurf, der vorsieht, dass Gerichte künftig strenger die Bedürftigkeit der Antragsteller prüfen sollen.

Berlin - Wer vom Staat Geld bekommt, damit er in einem Gerichtsverfahren die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, soll künftig selbst mehr zur Finanzierung beisteuern. Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten will die Bundesregierung Freibeträge absenken und die Dauer der Ratenzahlungen verlängern. Auch werden die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller „umfassend aufgeklärt“, bevor jemand Prozesskostenhilfe für ein Gerichtsverfahrens erhält, heißt es in dem Gesetzentwurf von Union und FDP.

Auf diese Weise soll die „missbräuchliche Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe“ eingeschränkt und sollen zudem „die Prozesskostenhilfeempfänger in stärkerem Maße als bisher an der Finanzierung der Prozesskosten beteiligt werden“, heißt es in dem Entwurf, der heute im Bundestag diskutiert wird. Das Gesetz soll „die über Jahre gestiegenen Ausgaben der Länderhaushalte begrenzen“.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ingrid Hönlinger wirft Schwarz-Gelb vor, einkommensschwache Bürger auszuschließen: „Und wer sein Recht nicht durchsetzen kann, kommt auch nicht zu seinem Recht.“

Länder sollen Geld sparen

Während Hartz-IV- und Sozialhilfeempfänger auch künftig keine Rückzahlungen befürchten müssen, sinkt der Freibetrag für Erwerbstätige über dem Hartz-Einkommensfreibetrag von 442 Euro. Von dieser Summe an wird die Hälfte des verfügbaren Einkommens künftig zur Berechnung der Ratenrückzahlung herangezogen; zudem wird die Dauer der Ratenzahlung von vier auf sechs Jahre ausgedehnt.

Prozesskostenhilfe kann beantragen, wer aufgrund seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht, nur zum Teil oder auf Raten in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Wer allzu niedrige Erfolgschancen in einem Prozess hat, bekommt keine Unterstützung.

Das Gesetz von Union und FDP sieht vor, „die über Jahre gestiegenen Ausgaben der Länderhaushalte zu begrenzen“. Bund und Länder zahlten 2010 rund 509 Millionen Euro Prozesskostenhilfe; 2009 waren es 511 Millionen und 2005 etwa 495 Millionen.

Weitergehende Forderungen abgelehnt

In die Staatskassen zurück flossen 2010 rund 63,3 Millionen, 2009 rund 62,7 Millionen und 2005 etwa 31,4 Millionen. Baden-Württemberg zahlte 2010 rund 51,1 Millionen und erhielt 12,8 Millionen zurück; 2009 war das Verhältnis 52,7 zu 13,2 Millionen, und 2005 lag es bei 53,1 zu 13,3 Millionen.

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagte unserer Zeitung: „Wir regeln die Prozesskostenhilfe neu. Missbrauchsfälle werden eingedämmt, und Personen, die über ausreichend Vermögen verfügen, werden aus dem Kreis der Begünstigten ausgeschlossen.“ Sozial Schwache erhielten auch künftig im vollen Umfang finanzielle Hilfe für die gerichtliche Verfolgung und Verteidigung ihrer Rechte. Weitergehende Forderungen der Länder habe sie abgewehrt, betonte die FDP-Politikerin.

Die Obfrau der Grünen-Bundestagsfraktion im Rechtsausschuss, Ingrid Hönlinger, warnt: „Es muss sichergestellt sein, dass allen Bürgern unabhängig von Einkommen und Vermögen der Zugang zu den Gerichten erhalten bleibt.“ Sie hält der Regierung vor, keine Zahlen von Missbrauchsfällen zu liefern und stattdessen zu suggerieren, der Missbrauch könne durch geringere Prozesskostenhilfe unterbunden werden. „Die Prozesskostenhilfe sollte so bleiben, wie sie ist. Eine Entlastung der Justizhaushalte ergibt sich durch die Auswirkungen von außergerichtlicher Konfliktlösung, die es möglich macht, sich vor einem Prozess zu einigen.“

Raten müssen länger abgestottert werden

Hönlinger kritisiert ferner, dass nun sechs statt vier Jahre lang Raten abstottern muss, wer auch nur gering über den Freibetrag nach Hartz-IV-Niveau kommt. „Diese Regelung betrifft meistens Bürger in ohnehin angespannten Lebenssituationen, die beispielsweise nach einer Trennung um Unterhalt, Sorge- oder Umgangsrecht vor Gericht gehen müssen.“ Besonders für alleinerziehende oder geringfügig beschäftigte Frauen sei es bereits erheblich, wenn sie künftig 25 oder 50 Euro im Monat Raten zahlen müssen, so die Abgeordnete.