In der Leonhardstraße 18 (Mitte) soll ein Laufhaus entstehen – doch die Stadt ist dagegen. Foto: Peter-Michael Petsch

Zwei Wohnhäuser im Leonhardsviertel sollen offiziell zum Sexbetrieb umgebaut werden.

Stuttgart - Jahrelang waren es illegale Adressen im Rotlicht. Nun sollen zwei Wohnhäuser im Leonhardsviertel offiziell zum Sexbetrieb umgebaut und zugleich legalisiert werden. Doch das Baurechtsamt sagt Nein. Über die Klage der Betreiber entscheidet jetzt das Gericht.

Am Ende der eineinhalbstündigen Verhandlung ergreift der 87-jährige Kläger erstmals das Wort. „Seit 1975 gibt es Puffs in beiden Häusern, das kann ich beeiden“, sagt der Unternehmer G., der seit Jahrzehnten eine feste Größe im Stuttgarter Rotlicht ist, mit bebender Stimme. „Unten waren Lokale, oben in den Zimmern haben die Damen gearbeitet.“

„Ich fühle mich von der Stadt verfolgt“

Weil es die Sexbetriebe in seinen Wohngebäuden Leonhardstraße 8 und 18 schon so lange gebe, müssten sie Bestandsschutz genießen, argumentiert G. vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Dass ihm das städtische Baurechtsamt die Genehmigung zum Umbau der Gebäude in Laufhäuser – in denen selbstständig anschaffenden Prostituierte sich tage- oder wochenweise separate Zimmer als Arbeitsplatz mieten – seit zwei Jahren versagt, ist in den Augen von G. skandalös. Darum hat er im Frühjahr 2011 die Stadt verklagt.

„Ich fühle mich von der Stadt verfolgt“, bricht es aus G. heraus. „Wir wollen keinen Streit mit der Stadt“, beteuert seine Tochter, die mit dem Vater die Geschäfte führt. Sechs Häuser habe man im Leonhardsviertel, erklärt die junge Frau. Davon wolle man vier Gebäude als Wohn- und zwei als Laufhäuser mit insgesamt 17 Zimmern nutzen.

„Wir sagen nicht, dass wir Ihnen nicht glauben“, versucht Annegret Pelka, Vorsitzende Richterin der 13. Kammer, die Wogen zu glätten. Doch der Aspekt Rotlichttradition, den der Kläger vorgebracht habe, sei für das Gericht nicht relevant. Zwar genießen Rotlichtbetriebe, die es bereits vor der maßgeblichen Änderung der städtischen Vergnügungsstättensatzung 1985 gab, in der Tat Bestandsschutz. Auf die Schutzklausel könne sich derzeit noch eine Handvoll Etablissements berufen. Nahezu alle anderen Prostitutionsbetriebe im Leonhardsviertel wirtschaften in einer rechtlichen Grauzone – so auch die Betriebe des Klägers.

„Polizeikontrollen zeigten, dass dort später trotzdem Prostitution stattfand“

1974 habe die Stadt in der Leonhardstraße 8 einen „Barbetrieb“ und das Abspielen von „Schmalfilmen“ erlaubt, das ergebe sich aus den Akten, so Richterin Pelka. Als der Kläger 2005 erstmals eine Baugenehmigung für ein Laufhaus beantragte, habe ihm die Stadt einen Bordellbetrieb jedoch explizit untersagt. Diese Untersagung sei bestandskräftig, betont Pelka. Damit liege auch kein Bestandsschutz vor. Auch in der Leonhardstraße 18 sei ein Bordell 2006 ausdrücklich untersagt worden. „Polizeikontrollen zeigten, dass dort später trotzdem Prostitution stattfand“, ergänzt die Richterin.

Auch die Regelung der Satzung, dass ein Betrieb im Kern des Rotlichtbezirks ausnahmsweise genehmigt werden kann, sofern dafür ein anderer Betrieb im Umfeld dichtmacht, kommt für das Gericht nicht in Betracht: Für die Webergasse 3, die G. erst vorige Woche zur Aufgabe angeboten habe, sei bereits Ende 2011 „die Nutzung untersagt worden“, werden Vater und Tochter und deren Anwälte belehrt. Sprich: Für einen Tauschhandel steht diese Adresse nicht zur Verfügung. Dieser Fall harrt allerdings noch der abschließenden juristischen Klärung.

Stadt habe „das Rotlicht mit der Satzung in die Leonhardstraße gelenkt und die Konzentration gewollt“

„Sie wollen die bislang illegal betriebenen Bordelle in der Leonhardstraße 8 und 18 legalisieren“, fasst Richterin Pelka die Ziele der Kläger zusammen. Dies sei aber nicht im Sinne der städtischen Satzung. Bei der Stadt heißt es dazu: „Wir genehmigen nur, was wir müssen – und suchen überall Chancen, Sexbetriebe zu untersagen.“

Die Anwälte der Kläger sehen das anders. Sie argumentieren, dass die Stadt „das Rotlicht mit der Satzung in die Leonhardstraße gelenkt und die Konzentration gewollt hat“. G. erinnert sich an Gespräche mit der Stadtspitze, die ihm in den 1970er Jahren die Leonhardstraße schmackhaft gemacht habe. „Man sagte mir, dort drückt die Stadt ein Auge zu“, erinnert sich G. Ein Anwalt des Unternehmers greift noch weiter aus. Er hält die Beschränkung des Rotlichts auf ein bestimmtes Gebiet im Bebauungsplan komplett für „ungültig“.

Das Gericht wird sich kommenden Mittwoch zur Tendenz des Urteils äußern. Der Richterspruch kommt später. „Falls wir uns hier nicht durchsetzen, gehen wir zur nächsten Instanz“, sagt G. unserer Zeitung.