Das Einkaufszentrum Gerber ist eröffnet und fügt sich besser in seine Umgebung ein, als Kritiker befürchtet haben. Foto: dpa

Die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle erklärt im Interview ihre Ziele und Vorstellungen zur Entwicklung des Zentrums im Jahr 2015.

Stuttgart - Die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle erklärt ihre Ziele und Vorstellungen zur Entwicklung des Zentrums im Jahr.

Frau Kienzle, wenn Sie einen Wunsch frei hätten fürs neue Jahr, welcher wäre das für den Bezirk Mitte?
Nachdem wir jetzt eine Planung für das Leonhardsviertel mit durchgesetzt haben, würde ich gerne die schlechte Aufenthaltsqualität in der Stadtmitte verbessern. Weil die für das Lebensgefühl der Bewohner und Besucher von zentraler Bedeutung ist.
Wie konkret? Im Leonhardsviertel ist der Wunsch eine Fußgängerzone – abgesehen von weniger Bordellen.
Mir geht es um die vielen kleinen Orte, die zugemüllt, zugeparkt, verlärmt sind, wo Leute sich unwohl fühlen. Die Innenstadt ist zerlöchert von Baustellen und übersät mit geflickten Belägen. Man muss die Stadt liebenswert gestalten, mit Bäumen, Radwegen, Sitzgelegenheiten. Das alles ist nicht Dekoration, sondern beeinflusst zutiefst das Verhalten der Städter, ihre Einstellung der Stadt gegenüber.
Haben Sie konkrete Plätze im Sinn?
Der Wilhelmsplatz ließe sich deutlich verbessern. Der große Platz ist auf der falschen Seite. Die Straßenführung ist falsch, die Sonne bescheint Taxistellplätze statt Gäste der Außengastronomie. Unsere Wünsche, das zu ändern, sind bekannt und es gibt dazu konkrete Pläne.
Seit Jahren, aber die scheinen vergessen.
Die sind nicht im Haushalt, aber auf keinen Fall vergessen. Genauso wenig wie die Buckelpiste der Kronprinzenstraße, der Flickenteppich des Platzes am Hans-im-Glück-Brunnen oder die vielen Ecken, Winkel, grünen Flecken, die Jugendliche zum Spielen und Alte zum Sitzen nutzen könnten. Das sind potenzielle Orte städtischen Glücks.
Glauben Sie, im Gemeinderat setzt sich die Erkenntnis durch, dass in die Freundlichkeit investiert werden muss?
Das hoffe ich. Wir haben ja eine neue Gemeinderatsbesetzung. Von den Neustadträten wünsche ich mir, dass sie an die Idee einer Stadt der Bewohner anknüpfen und sie mit neuer Kraft fordern. Einige Parteien und vor allem neue Initiativen haben das im Wahlkampf auch versprochen. Aber ich habe bisher noch wenig Aktivitäten in diese Richtung bemerkt.
Für diese Themen sind vor allem die kleinen Gruppierungen gewählt worden.
Das sind Bürger, die mitbestimmen wollen. Das ist gut so. Die Bewohner der Mitte sind die Hausherren und Gastgeber der Stadt. Deshalb müssen wir sie hören und mitbestimmen lassen. Das darf auch ein Stadtrat nicht vergessen.
Diese Hausherren haben das Gefühl: Ich bin schon gestraft, weil ich im Zentrum wohne und werde zusätzlich bestraft, mit Reinigungs- oder Parkgebühren.
Immer mehr wohnen gern in der Stadtmitte, Jung und Alt. Die mögen auch den Trubel. Die Frage ist, ob der bis vier Uhr morgens gehen muss oder ob Wohnungen dazu da sind, Lebenslust und Arbeitskraft durch Schlaf zu regenerieren. Ich finde es wunderbar, dass man überall essen, trinken und feiern kann, aber Party und Gastronomie rund um die Uhr tut keiner Stadt gut.
Die Nebenerscheinungen von Konsum und Nachtleben, die sie aufgezählt haben, könnten mit Kontrollen unterbunden werden. Ohne Kontrolle wird auch das Parkraummanagement scheitern. Haben Sie Hoffnung, dass die Stadt dafür Geld ausgibt?
Es macht natürlich keinen Sinn, hinter jeder Ecke jemanden aufzustellen, der alles kontrolliert. Aber ich kann nicht nachvollziehen, warum man zum Beispiel den Verkehrsversuch an der Tübinger Straße nicht durchsetzt. Das ist Aufgabe der Ordnungsbehörde. Und es ist Aufgabe der Politik, die Behörde so auszustatten und zu unterstützen, dass sie ernst genommen wird.
Die kommunalpolitische Fehlentscheidung des Jahres steht fest, da zurückgenommen: die Kehrgebühren. Droht bei den Parkgebühren eine Wiederholung, oder gab es aus ihrer Sicht einen anderen Fehlgriff?
Eine andere Fehlentscheidung kann ich nicht erkennen. Bei der Reinigungsgebühr war der Fehler, sie zu dekretieren, bevor man sie kommuniziert hat. Das darf sich nicht wiederholen, wir brauchen die aktive, keine verdrossene Bürgergesellschaft.
An den Enden der Achse Königstraße stehen jetzt das Gerber und das noch bei Weitem größere Milaneo. Das wird überrannt, aber nicht von Stuttgartern. Muss man dazu einen Gegenpol setzen?
Ich glaube, dass inzwischen mehr Menschen die Einkaufszentren kritisch beurteilen als zu Zeiten der Planung. Manche Stadträte und Planer waren von Anfang an dagegen. Die Befürworter erschrecken jetzt, wo es zu spät ist, über die Verkehrsflut, die sie in die Stadt geholt haben. Aber das Gerber fügt sich besser ins Viertel ein, als ich befürchtet habe.
Mag auch sein, dass es im Vergleich zum Milaneo schon wieder schnucklig wirkt.
Das Gerber ist stadtverträglicher. Wir hatten zunächst Sorgen wegen des Lieferverkehrs, aber das hat sich eingespielt. Es wäre jetzt wichtig, gemeinsam mit Stuttgart-Süd den Platz unter der Paulinenbrücke so zu gestalten, dass man sich dort aufhalten kann und will. Das käme den umliegenden Wohnungen, Läden, Gaststätten, der Mall und der gesamten Stadt zugute.