Bohrlochsanierung im Heinrich-Heine-Weg in Böblingen Foto: factum/Granville

Die Böblinger Kreisrätin Daniela Braun sieht das Landratsamt und das Land politisch und moralisch in der Pflicht, die durch Geothermiebohrungen rund 200 geschädigten Hausbesitzer in Böblingen finanziell zu unterstützen.

Böblingen - Die CDU-Kreis- und -Stadträtin Daniela Braun lässt nicht locker. In einem Brief an den Landrat Roland Bernhard weist sie erneut darauf hin, dass in Böblingen in mindestens drei Fällen tiefer nach Geothermie gebohrt worden sei als erlaubt. Dies stimme nicht mit der Aktenlage im Landratsamt überein. Offenbar hatte die Renninger Bohrfirma Gungl zwischen den Jahren 2006 und 2008, als sie die Erdwärmesonden in den Boden versenkt hatte, der Kreisbehörde falsche Protokolle zugeschickt. „Bohrungen von mehr als 99 Meter Tiefe sind genehmigungspflichtig“, erklärt der Pressesprecher im Landratsamt Böblingen, Dusan Minic. Dass die Protokolle nicht der Wirklichkeit entsprochen hätten, sei damals nicht aufgefallen, inzwischen jedoch sei dies bekannt. Es seien zwar hin und wieder Kontrollen vorgenommen worden, so Minic, „doch konnten unsere Experten nicht bei jeder der 800 gemeldeten Bohrungen im Landkreis daneben stehen“.

Dennoch sieht Braun den Kreis und das Land in der Pflicht, den geschädigten Hausbesitzern finanziell zu helfen. In einem Brief an den Landrat fordert sie einen Nothilfe-fonds für die Opfer der Erdhebungen. Braun weist auf ähnliche Fonds etwa für Hochwassergeschädigte in anderen Bundesländern hin. Bernhard solle sich beim Land dafür einsetzen, dass den rund 200 von Gebäudeschäden betroffenen Eigentümern in Böblingen ausreichend Geld zur Verfügung gestellt werde.

„Ob ein Behördenverschulden oder eine Amtshaftung vorliegt, das wird der Landrat vermutlich am besten beurteilen können“, sagt Braun. Politisch, aber auch moralisch sei es angebracht, „die rund 200 Betroffenen jetzt nicht alleine zu lassen“. Das Land habe aus Klimaschutzschutzgründen für die Geothermie geworben, sie mit Geld gefördert und stehe beim Genehmigungsverfahren in der Verantwortung, so die CDU-Politikerin.

Wie nun bekannt wurde, stellte ein Böblinger Hausbesitzer im vergangenen Jahr wegen der Gebäudeschäden bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eine Strafanzeige gegen unbekannt. Diese teilte dem Eigentümer mit, dass „die Gebäudeschäden bereits Gegenstand eines Berichts der damaligen Polizeidirektion Böblingen vom Oktober 2013 waren. Nach der Prüfung sei jedoch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Sachbeschädigung seien nicht erkennbar, schrieb der Oberstaatsanwalt zurück. Außerdem müsste vor einem Ermittlungsverfahren geprüft werden, ob die Sache zwischenzeitlich schon verjährt sei.

„Die Schäden wurden vom Landratsamt im Jahr 2013 gemeldet“, sagt der selbst von Gebäuderissen betroffene Hans-Peter Braun, der Ehemann der CDU-Kreis- und -Stadträtin. Eine Verjährung trete nach seiner Kenntnis aber erst drei Jahre nach der ersten Meldung der Schäden ein – also im Jahr 2016. Nun komme es darauf an, wie hoch die Firma Gungl versichert gewesen sei. „Wenn pro Bohrung nur eine Versicherungssumme von zum Beispiel einer Million Euro im Raum steht, reicht das nicht aus für alle Betroffenen“, sagt Hans-Peter Braun.

Die Fachleute stießen auf insgesamt 17 schadhafte Bohrlöcher, die zurzeit saniert werden. Der Freiburger Rechtsanwalt Eberhard Haaf, der sich bereits um die nach Erdwärmebohrungen geschädigten Bürger in Staufen im Breisgau kümmert und die Böblinger Interessengemeinschaft Erdhebungen vertritt, sprach jedoch von einem Böblinger Gesamtschaden von rund 50 bis 60 Millionen Euro. „Wenn also 17 Millionen Euro durch die Versicherungen gedeckt würden, um bei diesem Beispiel zu bleiben“, sagt Hans-Peter Braun, „wer zahlt dann den Rest?“

Daniela Braun fordert deshalb, die rund 200 Hauseigentümer adäquat mittels eines Fonds zu entschädigen. Ihr Schreiben richtete sie vor wenigen Tagen an den Landrat und wartet nun auf die Antwort. Dieser hatte bereits eingeräumt, dass im Böblinger Herdweg signifikante Tiefenabweichungen bei den Bohrungen festgestellt worden seien. In einem Fall sei die Sonde 132 Meter tief, in zwei anderen Fällen 134 Meter tief gelegt worden . „Wie tief gebohrt worden ist, ist wohl kaum ausschlaggebend dafür, dass sich die Erde hebt“, meint der Behördensprecher Minic. Natürlich sei es nicht in Ordnung, dass die Vorschriften nicht eingehalten worden seien. „Wir konzentrieren uns jetzt aber auf die Sanierung der schadhaften Löcher“, so der Behördensprecher. Die Arbeiten an zwei Geothermiesonden sind nun abgeschlossen. Bis Ende des Jahres sollen die restlichen 15 ebenfalls saniert sein.