Firmenchef Erwin Gungl führte Anfang des Jahres 2014 auf einer Energiemesse in Sindelfingen noch seine Bohrgeräte vor. Foto:  

Das Unternehmen, das für die schadhaften Geothermiebohrungen in Böblingen verantwortlich gemacht wird, ist nicht mehr zahlungsfähig. Für eine etwaige Klage der Geschädigten kommen nun nur noch die Versicherungen in Frage.

Böblingen/Renningen - Die Renninger Bohrfirma von Erwin Gungl hat beim Amtsgericht Stuttgart einen Insolvenzantrag gestellt. Dies sei am 11. September geschehen, am 17. September sei er an das zuständiger Amtsgericht in Ludwigsburg weitergeleitet worden, sagte ein Gerichtssprecher in Stuttgart. Gungl wird für insgesamt 17 unsachgemäß durchgeführte Erdwärmebohrungen verantwortlich gemacht, die er zwischen den Jahren 2006 und 2008 in zwei Böblinger Wohngebieten vornehmen ließ. Dabei war Wasser in Gipskeuperschichten gedrungen, die aufquollen und die Erde um bis zu einem halben Meter anhoben. An 200 Gebäuden sind teilweise erhebliche Schäden entstanden. Die Firma Gungl gab zum Insolvenzantrag und über ihre finanzielle Situation keine Auskunft.

Eberhard Haaf, der Freiburger Rechtsanwalt, der in Böblingen die geschädigte Hausbesitzer juristisch berät und vertritt, hatte nach eigenen Angaben vor zwei Jahren festgestellt, dass „die Firma schon länger schlecht dastand, weil die Umsätze ziemlich eingebrochen sind“. Die Information erhielt er über die Bonitätsauskunft des Inkasso-Unternehmens Creditreform.

35 beschädigte Häuser in Eltingen

Den Knick in der Umsatzkurve verursachten wohl schon die Geothermiebohrungen der Firma in Leonberg-Eltingen im Jahr 2011, als 35 Häuser Schäden erlitten. Es waren zwischen Grundwasserschichten Hohlräume entstanden, die Erde sackte ab. Gungl nahm die Sanierung selbst vor. „Wir pumpten Unmengen von Zement hinein“, hatte er auf einer Energiemesse in Sindelfingen Anfang 2014 erklärt, wo er noch für die Geothermie geworben hatte. Er habe deswegen weniger Aufträge für Einfamilienhäuser, erklärte er damals. Den Rückgang fange sein Unternehmen jedoch durch Großaufträge auf wie etwa durch mehr als hundert Erdwärmebohrungen bei der Allgemeinen Rentenanstalt in Stuttgart. 40 000 bis 60 000 Meter bohre sein Unternehmen im Jahr, berichtete er vor eineinhalb Jahren noch freimütig. Während der Boomphase in den Jahren 2007 bis 2010 habe sein kleines Familienunternehmen jährlich 700 bis 800 Bohrprojekte realisiert.

Laut dem Bundesverband Geothermie sind die Umsätze bei den Firma in den vergangenen Jahren tatsächlich dramatisch eingebrochen. Die Zahl der neuen Erdwärmeanlagen zwischen 2008 und 2014 habe sich mit 18 000 neuen Pumpen im vergangenen Jahr in etwa halbiert, erklärt der Pressesprecher Gregor Dilger. Mehrere Gründe seien dafür verantwortlich. „Die Verbraucher haben die Schadensfälle im Hinterkopf“, sagt Dilger. Aber auch die strengeren Auflagen sowie die teilweise günstige Preisentwicklung anderer Energiequellen seien dafür ausschlaggebend gewesen. Seitdem es in diesem Jahr wieder mehr Fördergeld gebe, zeige der Trend zur Geothermie wieder nach oben.

Außergerichtliches Schiedsverfahren

Die Insolvenz der Firma Gungl sieht der Rechtsanwalt Haaf für die Böblinger Geschädigten als Vorteil: „Wir brauchen jetzt nicht mehr Gungl verklagen, sondern können uns an die Versicherungen wenden.“ In Leonberg hatte die Allianz die „Bohropfer“ entschädigt. Sie war vom Jahr 2009 an Vertragspartner von Gungl, davor war er bei der Württembergischen und bei der AIG versichert gewesen. Ein außergerichtliches Schiedsverfahren soll nun klären, welche der Versicherungen für die Schäden an den Böblinger Gebäuden zuständig ist. Haaf, der schon die Geschädigten der Erdwärmebohrungen in Staufen im Breisgau vertrat, geht von einer Schadenssumme in Böblingen von 50 bis 60 Millionen Euro aus.