George Ezra spielte im Longhorn in Stuttgart Foto: PR

George Ezra trinkt am Nachmittag Tee und spielt am Abend ein entspanntes Konzert im ausverkauften Stuttgarter Longhorn.

Stuttgart - George Ezras Stimme ist eine Sensation. Das wussten die meisten Besucher seines Konzerts am Montagabend im LKA Longhorn zwar schon, bevor sie die Karten kauften – aus dem Radio. Live aber lässt Ezra den ganzen Raum vibrieren, wenn er seine Stimme anschwellen lässt, wenn er sie warm und tief in sein Mikrofon und durch die Verstärker schickt, die er eigentlich gar nicht braucht. Eine Stimme, hinter der man wohl einen gestandenen Bluessänger erwartet hätte, aber keinen 21-jährigen Briten.

Dass George Ezra mit dieser Stimme Erfolg haben würde, wusste auch die BBC, die den jungen Musiker letztes Jahr auf ihre „Sound of 2014“-Liste setzte. Und Ezra enttäuschte den Sender nicht: Sein Song „Budapest“ wurde ein Hit, schaffte es in sieben europäischen Ländern unter die Top Ten und belegte auch in Deutschland wochenlang die vorderen Plätze der Charts. Jetzt spielt Ezra in ausverkauften Konzerthallen, steht beinahe jeden Abend in einer anderen Stadt auf der Bühne und findet das großartig.

„Ich habe aber nie davon geträumt, berühmt zu sein“, sagt George Ezra im Interview am Nachmittag. Er trinkt einen Erkältungstee für die Stimmbänder, trägt einen Schal und einen blauen Strickpullover und wirkt ganz entspannt, geradezu gelassen. Erwartungsdruck spürt er nicht. „Jeder hat einen Job – oder nicht?“ Ezra zwinkert – sein Job sei eben die Musik. Wenn ihn die Musik nicht so gepackt hätte, sagt der 21-Jährige, wäre er Lehrer geworden wie seine Eltern. „Ich glaube, darin wäre ich auch ganz gut gewesen.“

Ezra ist im englischen Hertford aufgewachsen, nur ein paar Kilometer nördlich von London – die Distanz veranschaulicht er mit Hilfe einer Mandarine und eines Kaubonbons. Gitarre spielen konnte er mit 13 Jahren, mit 16 begann er, eigene Songtexte zu schreiben. 2011 zog er nach Bristol, um dort Songwriting zu studieren. Es dauerte kein Jahr, da hatte Ezra schon einen Plattenvertrag mit Columbia Records in der Tasche. Eigentlich, sagt Ezra, gab es für ihn nie ein anderes Hobby als die Musik. Was er sagt, klingt beinahe entschuldigend: „Ich war einfach nie gut in Sport.“

Auf der Bühne ist George Ezra ohnehin viel besser aufgehoben als auf dem Fußballfeld. Am Montagabend im Longhorn spielen er und seine Band die bekanntesten Songs auf dem Album „Wanted On Voyage“, darunter selbstverständlich „Budapest“, aber auch das fröhlich-poppige „Cassi O’“ und das rockige „Spectacular Rival“, für das Ezra weder Instrument noch Stimme schont. Bei den ruhigeren Nummern verlässt die Band die Bühne, und Ezra steht allein mit seiner Gitarre unter dem Lichtkegel eines einzigen Scheinwerfers: Songwriter-Romantik, George Ezras Spezialgebiet. Trotz aller Bescheidenheit weiß er nämlich genau, wie er wirkt da oben – ein großer, blonder Brite mit einer Wahnsinnsstimme. Vermutlich könnte man Ezra aber auch ohne Gitarre auf die Bühne stellen und ihn ein Kinderlied singen lassen – das Publikum würde dennoch Gänsehaut bekommen.

Ezra hat alle Songs auf dem Album selbst geschrieben. Die meisten davon entstanden während einer Reise durch Europa im Frühjahr 2012. „Ich bin mit dem Ziel losgefahren, Ideen für meine Texte zu sammeln“, sagt Ezra. Dass das so einwandfrei funktionieren würde, hätte er selbst nicht gedacht. „Budapest“ etwa verdankt er dem glücklichen Umstand, seinen Zug dorthin verpasst zu haben. Weil keine Zeit blieb, die Stadt tatsächlich noch zu bereisen, widmete ihr Ezra einfach einen Song.

Es klopft, eine junge Frau bringt eine neue Tasse Tee. „Das ist meine Schwester“, sagt Ezra, als sie wieder gegangen ist. Sie begleite ihn auf der Tour. Bis Dezember nächsten Jahres wird er noch unterwegs sein, wird in Australien, den USA und erneut in Europa auftreten. Nur über Weihnachten sind ein paar Tage zu Hause eingeplant.

Natürlich, sagte Ezra, vermisse er seine Familie und seine Freunde, er sei sich aber auch im Klaren darüber, dass das, was er gerade mache, eine unglaubliche Erfahrung sei, die er nicht vergessen werde. Ezra lebt für den Moment – ihm glaubt man das sofort. Vor allem, wenn man ihn auf der Bühne stehen sieht.