Nathalie Schaller (oben) unterstützt mit ihrem Label [Eyd] Zwangsprostituierte in Indien ein. In der Nähfabrik (unten) erhalten sie eine Ausbildung. Foto: David Sünderhauf/ Michael Collela

Nathalie und Simon Schaller sind Anfang Oktober mit ihrem neuen humanitären Modelabel „Eyd“ gestartet. Sie setzen sich damit für ehemalige Zwangsprostituierte in Indien ein.

Stuttgart - Lange Zeit ging gutes Gewissen beim Kleiderkauf nur selten mit guten Aussehen einher. Miserable Arbeitsbedingungen am anderen Ende der Welt oder irgendwelche Ökosiegel sind für die meisten Kunden halt immer noch ein zu vernachlässigender Aspekt.

Nathalie und Simon Schaller aus dem Stuttgarter Westen wollten das mit der Münchner Designerin Teresa Göppel ändern. Von Mode hatte zumindest das Stuttgarter Ehepaar keine Ahnung. Trotzdem hatten sie den Wunsch, nachhaltig produzierte Kleidung auf den Markt zu bringen. Und nicht nur nachhaltig produziert sollten die Kleider sein; ihr Unternehmen sollte einem sozialen Zweck dienen.

Aus Glimpse Clothing wird jetzt „Eyd“-Clothing

Im Jahr 2008 gründeten das Trio deshalb das gemeinnützig Modelabel Glimpse Clothing. Ihr Ziel: Indischen Frauen, die Opfer von Zwangsprostitution waren, eine neue Perspektive im Leben zu bieten – mit einer Ausbildung zur Näherin und täglichem Schulunterricht. In der Nähe von Mumbai betreiben sie eine Werkstatt. Regelmäßig überzeuge sie sich davon, dass die Produktion „von Anfang bis Ende fairen Kriterien entspricht“, sagt Nathalie Schaller. Viele ihrer Stammkunden kauften bei Glimpse, weil die Mode aus nachhaltiger und sozialer Produktion stammt.

Das Trio hatte Glimpse bisher immer nebenher – auf ehrenamtlicher Basis quasi – gestemmt. Finanziert haben sie den Großteil aus eigener Tasche. Ende September haben sie aber nun zu dritt „gemeinsam Glimpse zu Grabe getragen“, sagt Nathalie Schaller. Ihr Job als Juristin, ihre Tochter und nebenher Glimpse – das habe sie alles irgendwann an ihre „Kapazitätsgrenze“ gebracht im letzten Jahr. Nach umfänglicher Beratung durch ein Start-up, einen Finanz- und einen Personal Coach war allen drei klar, das die Wünsche für die Zukunft von Glimpse in eine andere Richtung gehen. „Für mich und Simon ist es ein Sozialprojekt“, sagt Schaller. Die Designerin Göppel hatte aber mehr den Wunsch, sich kreativ auszuleben mit ihrer Mode. Das sei aber mit der Kooperationsfirma und der dahinterstehenden Chaiim Foundation in Indien nicht immer vereinbar gewesen

Helfen soll weiterhin das Ziel der neuen Marke sein

Ihren Traum aufgeben wollte Nathalie Schaller nicht. Deshalb haben sie im letzten Jahr intensiv daran gearbeitet, ihr Label zukunftsfähiger zu machen. „Eyd“ heißt die Marke ab sofort, welches die Schallers von Stuttgart aus alleine aufbauen möchten. „Helfen ist unser Kern“, sagt Schaller. So habe man das Label nach der Lautschrift des englischen Wortes „aid“ benannt.

Seit 1. Oktober ist die neue Plattform www.eyd-clothing.com online. In der Modelinie wolle man nun „minimalistischer, cooler und geradliniger“ sein, sagt Schaller. Ein Grund dafür ist, dass die Verarbeitung für die Näherinnen in der indischen Fabrik einfacher sein soll, dadurch könne man eine höhere Stückzahl produzieren. Denn die Zusammenarbeit mit der Fabrik in Indien, das Herzstück von Schallers Arbeit, soll natürlich weiterhin bestehen.

Allerdings soll Eyd tatsächlich etwas wirtschaftlicher werden: Einzelteile, die gut laufen, könne man zum Beispiel dauerhaft im Sortiment haben. „Bei Glimpse haben wir jedes halbe Jahr mit einer neuen Kollektion von vorne angefangen“, sagt die Juristin aus dem Stuttgarter Westen. Und: „Die Frauen haben sich schwer getan mit komplizierten Stücken.“ Die wenigsten dort seien in ihrem Leben so stabil, dass sie sich sofort voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren können, fast alle seien zudem natürlich Anfängerinnen im Beruf. „Und sie sind traumatisiert und entmutigt, brauchen deshalb schnellere Erfolge.“

Produziert wird auch weiterhin in der Kooperationsfabrik in Indien

In Zusammenarbeit mit der Chaiim Foundation in Mumbai hat das Ehepaar Schaller in Indien eine Textilfabrik aufgebaut, die ehemaligen Zwangsprosituierten zwischen 18 und 25 Jahren eine Ausbildung ermöglicht. Vor Ort betreuen die Inder Ramona und Keith Dsouza die Mädchen. Diese erhalten dort auch eine Schulausbildung und Unterricht in Englisch und Mathe – und verdienen vor allem eigenes Geld. Sozialarbeiterinnen kümmern sich außerdem um die Frauen.

„Eyd“ soll nun kein Hobby-Projekt mehr sein. Dafür hat Natalie Schaller ihre Stelle als Juristin aufgegeben. „Ich setze jetzt alles auf eine Karte.“ Sie ist nun ausschließlich Geschäftsführerin des neuen Labels, ihr Mann Simon arbeitet künftig in Teilzeit, unterstützt sie in der restlichen Zeit. Auch räumlich hat man sich verändert: Seit kurzem haben sie nun ein Büro im Stuttgarter Osten, wo aus alle Stricke zusammenlaufen. Glimpse haben die beiden von ihrem Wohnzimmer im Westen aus koordiniert. „Es macht wirklich Spaß, nun alles an einem Ort zu haben“, sagt Schaller.

Bei „Eyd“ legen die beiden also noch einmal „eine Schippe drauf“: Alles soll deutlicher professioneller werden. Aber ein Markenzeichen behalten sie bei: jedes Kleidungsstück trägt weiterhin einen Mini-Aufdruck. Alle Näherinnen in Indien haben einen kleinen Blumenstempel, mit dem sie ihre produzierten Kleidungsstücke verzieren. Damit die Kunden wissen, wer ihre Kleidung genäht hat.