Das Ehepaar Geyer/Sailacher lebt vom Geigenbau, einem Handwerk, das Perfektion und Passion fordert. Foto: Jehle

Das Ehepaar Dorit Seilacher und Florian Geyer verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Bau von Geigen, einem Handwerk, das Perfektion fordert. Einblicke in eine Passion.

Karlsruhe - Nicht nur der Himmel hängt voller Geigen, sondern auch das Atelier von Florian Geyer und Dorit Seilacher. Zahlreiche Instrumente prangen im Eingangsbereich der Marie-Alexandra-Straße im Karlsruher Süden, gut ein Dutzend Geigen und Bratschen baumelt von der Decke. Nicht von ungefähr: die beiden sind Geigenbauer – mit Leidenschaft. Florian Geyer spricht gern vom „Geheimnis des Klangs“. Ein Musiker, sein Instrument und der Raum bildeten „eine untrennbare Symbiose“. Auch wenn sie sich „eher als Amateure“ einordnen: Klar ist, dass die beiden mit klassischer Musik vertraut sind und auch selbst Instrumente spielen. „Ohne diese Kenntnisse wäre der Beruf nicht denkbar“, sagt Dorit Seilacher. Grundlage für einen guten Klang sei aber „die Perfektion des Handwerks“.

Der Weg zu dieser Erkenntnis führte Dorit Seilacher nach Mittenwald, der traditionsreichsten deutschen Geigenmacherstadt nahe der Zugspitze, und Florian Geyer für vier Jahre in das italienischen Cremona, wo im 17. und 18. Jahrhundert die berühmten Geigenbauer Giuseppe Guarneri und Antonio Stradivari wirkten, die bis heute gültige Maßstäbe setzten. So baute Seilacher kürzlich die Nachbildung „einer Strad“, wie sie den Geigentyp nennt, der als historisches Original mehr als elf Millionen Euro wert ist. Und Geyer fertigte eine Geige vom Typ Guarneri, wie sie einst auch der „Teufelsgeiger“ Niccolò Paganini spielte.

Gefragt sind Geduld und Fingerfertigkeit

Den Mythos begreift das Paar „als Chance, die einen Markt eröffnet“. „Kreativer ist es aber, man macht sein eigenes Ding“, sagt Geyer. Und diese Geigen seien dann im Gegensatz zu einer „Strad“ auch noch bezahlbar. Der Preis – er beginnt im fünfstelligen Bereich – erklärt sich auch dadurch: Für eine Geige, die manche als die Königin der Musikinstrumente sehen, braucht man viel Geduld und Fingerfertigkeit, beim Bau fast noch mehr als beim Spiel. Rund sechs Wochen brauche er für eine neue Geige, erzählt Florian Geyer.

Am Anfang steht die Auswahl von Qualitätsholz. „Die Kunst des Geigenbaus liegt in der Fertigung – und in der Materialerkennung“, sagt Geyer. Der Geigenboden wird schon seit Jahrhunderten aus Ahorn hergestellt, so wie auch die Zargen und der Geigenhals. Die Decke dagegen besteht aus Fichte. Das Karlsruher Geigenbauer-Paar nutzt überwiegend bosnischen Bergahorn und Haselfichte aus den italienischen Alpen. „Wegen der feinen Struktur der Jahresringe des Holzes“, sagt Seilacher.

Der Bau einer neuen Geige beginnt mit dem Zargenkranz, der gebogene Ahorn schmiegt sich später „als Grundgerüst zwischen Boden und Decke der Geige“. Mit kleinen Hobeln werde „viele Stunden“ gearbeitet. Von einem Rohstück mit etwa 1,5 Zentimeter Ausgangsstärke bleiben am Ende nur noch 2,5 bis fünf Millimeter für den Boden beziehungsweise die Decke der Geige. Die Kleinsthobel aus Messing mit Stahlklinge sind eigens von Silberschmieden gefertigt. Das Abtragen der Holzschichten erfordert höchste Konzentration.

Feinschliff mit Haifischhaut

Bevor das Holz mit selbst gekochten Öllacken Glanz bekommt, steht Feinschliff mit Haifischhaut an. Geyer schwärmt von „einer attraktiven Oberfläche“. Die stehe und falle mit der Grundierung. Die Vorbehandlung sei wichtiger „als der Lack obendrauf“. Geyer arbeitet quasi, „bis man in die Poren des Holzes reingucken kann“. Auch für Dorit Seilacher ist der Geigenbau eine Passion. Die beiden leben für ihre Arbeit. Und sie denken nachhaltig. Anders als noch zu Stradivaris Zeiten bauen sie Boden und Decke der Geigen „eher an der Grenze zum Dicken“. Da dürfen es auch ein oder zwei Millimeter mehr sein an Wandstärke. So klinge die Geige „auch noch nach zwei oder drei Jahren gut“. Für ihre Werkstücke geben sie eine „lebenslange Klanggarantie“.

Für das Paar ist der Geigenbau eine Berufung, der sie schon lange nachgehen. Während Florian Geyer zu Schulzeiten ,,erste Billiginstrumente“ verkaufte, baute Dorit Seilacher ,,erste Fideln“. Kennen lernten sie sich in Den Haag beim Meistergeigenbauer Willem Bouman. In der badischen Wahlheimat wurden sie selbst zu Meistern. Die Wurzeln für eine familieneigene „Dynastie“ sind womöglich bereits gelegt: Auch eine Tochter spielt Geige.