Das Messschiff „Max Honsell“ ist auf Rhein, Neckar und Bodensee unterwegs, um kleinste Plastikteilchen Foto: dpa

Von den Ozeanen ist bekannt: Dort schwimmt tonnenweise Plastikmüll. Die oft nur wenige Millimeter kleinen Partikel werden von Fischen und Muscheln verzehrt und können auch in die Nahrungskette gelangen. Jetzt untersucht das Land, wie viel Mikroplastik in den Binnengewässern schwimmt.

Lauffen - Fleecejacken oder Bettwäsche aus Mikrofaser: Beim Waschen gelangen regelmäßig Kunstfasern ins Abwasser. Auch Plastikmüll, der an Ufern verwittert, landet verrieben zu kleinsten Partikelchen in Flüssen und Seen. „Bisher beschäftigen sich nur wenige Studien mit Mikroplastikpartikeln in Binnengewässern“, sagt Christian Laforsch, Tierökologe an der Universität Bayreuth. Er wurde vom Land Baden-Württemberg jetzt damit beauftragt herauszufinden, wie viel Mikroplastik im Bodensee, im Rhein und im Neckar schwimmt.

Die Ergebnisse werden zwar erst im Herbst 2015 vorliegen. Doch die Forschungserkenntnisse in anderen Ländern lassen nichts Gutes ahnen. So wurde etwa am italienischen Gardasee so viel Mikroplastik im Sediment gefunden, dass die Behörden in Europa aufgehorcht haben. Proben aus Seen in der Schweiz und in Kanada lieferten ähnliche Ergebnisse. Mikroplastik in Binnengewässern scheinen ein globales Problem zu sein.

Doch woher kommen die vielen Partikel? Der Müll ist nur ein Faktor. Plastiktüten oder -flaschen werden durch UV-Licht, Wind und Wellen pulverisiert. Ein anderer Aspekt sind Reinigungsmittel und Pflegeprodukte wie Duschgel, Haarshampoo oder Zahncreme, denen die Hersteller sogar gezielt Plastikkügelchen zusetzen.

Unter Mikroplastik versteht man Kunststoffteilchen mit weniger als fünf Millimeter Größe. „Die Kosmetikindustrie verwendet Mikroplastik als Schleifmittel, Filmbildner oder Füllstoff, aber auch in flüssiger Form zum Beispiel als Bindemittel“, weiß der Bund für Naturschutz Deutschland (BUND). Die Organisation fordert ein generelles Verbot für Plastikkügelchen in solchen Produkten.

Susanne Gans, Laborleiterin bei Speick Naturkosmetik in Leinfelden-Echterdingen, weiß auch, warum: Mikroplastik gelange über das Wasser selbst in Bier und Sprudel und sei dort auch nachgewiesen worden. Selbst wenn der Körper die Teilchen selbst ausscheiden könne, sei ihre Oberfläche so beschaffen, dass ihnen große Mengen von Umweltgiften anhafteten, die dann im menschlichen oder tierischen Körper blieben.

Speick verzichtet – wie andere Naturkosmetikhersteller – seit jeher komplett auf den Zusatz von Kunststoffpartikeln. Von den Herstellern konventioneller Produkte werde Kunststoff – meist Polyethylen – dort eingesetzt, wo die chemische Reinigung durch eine mechanische unterstützt werden solle, so Susanne Gans. Das sei in Peelings der Fall oder in Zahnpasten. Damit die eigentlich scharfkantigen Mikroteilchen nicht kratzten, würden sie zu Kügelchen geschliffen.

Die meisten Kläranlagen können diese Mikropartikel nicht herausfiltern, sie bleiben deshalb im Wasserkreislauf. „Wir nehmen von politischer Seite diese Tatsachen sehr ernst“, versichert der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Er hat deshalb jetzt das Mess-Schiff „Max Honsell“ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) auf Rhein, Neckar und auf den Bodensee geschickt. Mit einem sogenannten Manta Trawl, einem speziell entwickelten Netz, können Proben von der Wasseroberfläche entnommen werden.

Christian Laforsch hat auch die aufsehenerregenden Proben am Gardasee entnommen: „Wir haben an manchen Uferbereichen dort Konzentrationen von Mikroplastikpartikeln gefunden, die den hohen Konzentrationen an Meeresstränden entsprachen. Wir konnten beispielsweise PVC, Polystyrol und Polyethylen identifizieren.“ Diesen seien oft weitere Chemikalien wie Weichmacher oder Flammschutzmittel zugesetzt.

In den kommenden Monaten werden an rund 20 Stellen in Bodensee, Rhein und Neckar Proben entnommen. Die Stellen werden so gewählt, dass sie sich einerseits durch die Zusammensetzung ihrer Abwässer und andererseits durch die Größe ihres Einzugsgebiets stark voneinander unterscheiden.

Die beiden Umweltminister in Baden-Württemberg und Bayern kooperieren bei dem Forschungsprojekt. Der Freistaat untersucht in den kommenden Jahren ebenfalls Sedimente aus Flüsse und Seen und prüft, inwieweit Tiere die Partikel aufnehmen.