Hauptsache schön bunt: Gefärbte Lebensmittel wirken oftmals ansprechender auf den Verbraucher. Einige synthetische Farbstoffe sind allerdings alles andere als gesund. Foto: www.plainpicture.com

Farbstoffe kommen in Lebensmitteln öfter vor, als so mancher Verbraucher vermuten würde. Doch nicht alle sind gesundheitlich unbedenklich. Um sich zu schützen, können Verbraucher beim Kauf auf einige Dinge achten.

Stuttgart - Als „eine der kriminellsten Fälschungen“, die er je gesehen habe, bezeichnet Reinhold Carle seine jüngste Entdeckung. Zusammen mit einem Team aus Forschern hat der Professor für Technologie und Analytik pflanzlicher Lebensmittel an der Universität Hohenheim einen Farbstoff nachgewiesen, der eigentlich zum Färben von Textilien eingesetzt wird – in Präparaten, die zum Färben von Lebensmitteln bestimmt waren.

In Fleischprodukten und Getränken fanden die Wissenschaftler den Textilfärber „Reactive Red 195“. Er gilt als gesundheitlich bedenklich. In Molkereierzeugnissen wie Joghurt oder Quark könnte er theoretisch ebenfalls enthalten sein, sagt Carle. In welchen Produkten der Farbstoff außerdem verarbeitet wurde, weiß keiner so genau. 2015 könnte das Färbemittel, in dem er auftaucht, auf den Markt gekommen sein, schreibt die Forschergruppe um Carle in dem Fachmagazin „Food Control“.

Eine entsprechende Warnung sei bereits an die zuständige Behörde, die European Food Safety Authority (EFSA), in Parma ergangen. Betroffen ist nämlich nicht nur Deutschland. Verarbeitende Betriebe aus Frankreich, der Türkei, Osteuropa, Österreich und den USA haben sich bereits mit Lebensmittelproben an die Experten in Hohenheim gewandt.

Das färbende Produkt, das „Reactive Red 195“ enthielt, soll Lebensmittel appetitlich rot färben soll. Fleisch und Wurstwaren zum Beispiel, denn diese sehen unbehandelt eher grau aus als rötlich. Um dem Verbraucher gerecht zu werden, greifen die Hersteller seit mehr als einem Jahrhundert zu synthetischen Farbstoffen. Inzwischen sind nur noch etwa 40 Lebensmittelfarbstoffe zugelassen. Immer mehr Hersteller nutzen zudem so genannte färbende Lebensmittel wie Spinat oder Rote Bete. Ein Vorteil: Pflanzliche Konzentrate und Pulver aus Obst oder Gemüse müssen sie nicht als Zusatzstoffe mit einer E-Nummer auf der Verpackung deklarieren. Natürliche Lebensmittel kommen besser an.

Azofarbstoffe stehen unter Verdacht Krebs zu erregen

Das dachten sich wohl auch die Fälscher des gepanschten Färbemittels. Sie lobten die darin enthaltenen Farbstoffe ganz einfach als „natürlich“ aus. Rote-Bete- und Hibiskus-Extrakte sollen die Nahrungsmittel röten. Angeblich. Denn das Produkt färbt Nahrungsmittel sehr viel intensiver als bekannte natürliche Farbstoffe. Das stimmte einige Verwender skeptisch: Natürliche Farbstoffe sind um einiges licht- und hitzeempfindlicher als synthetisch gewonnene. Bei unterschiedlichen pH-Werten verändern sie teilweise auch ihren Farbton. Synthetische Farbstoffe sind dagegen meist stabil.

In ihren Tests fanden die Lebensmittelexperten in Hohenheim denn auch lediglich Spuren von Rote-Bete-Pigmenten. Stattdessen entdeckten sie ein zunächst unbekanntes Pigment, das die Brillanz und Stabilität des Färbemittels ausmachte – den Azofarbstoff „Reactive Red 195“.

Azofarbstoffe sind synthetische Farbstoffe, die aus Erdöl gewonnen und in Deutschland kaum mehr verwendet werden. Sie stehen unter Verdacht Krebs zu erregen, Allergien und, bei Kindern, das Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS) auszulösen. Lebensmittel mit den Azofarbstoffen Tartrazin (E 102), Gelborange S (E 110), Azorubin (E 122), Allurarot (E 129) oder Cochenillerot A (E 124) müssen in der Europäischen Union seit dem 20. Juli 2010 daher mit dem gesonderten Warnhinweis „Kann Aktivität und Aufmerksamkeit von Kindern beeinträchtigen“ gekennzeichnet werden. Toxikologische Erkenntnisse zu „Reactive Red 195“ gebe es bisher erst wenige, sagt Carle: „Unbedenklich ist dieser Farbstoff aber sicher nicht.“

Wer die Fälscher sind, wisse man bisher noch nicht, sagt der Wissenschaftler. Dort wurde ein spezielles Analyseverfahren entwickelt, um den Farbstoff aufzuspüren. „Weil sich „Reactive Red 195“ untrennbar an Cellulose und Proteine bindet, ist er im fertigen Lebensmittel derzeit nicht nachweisbar“, sagt Carle. Bis ein entsprechendes Verfahren entwickelt sei, werde es noch eine Weile dauern.

Aufgrund der täuschenden Angaben auf den Lebensmitteln können sich die Verbraucher in diesem Fall kaum vor dem Kauf und Verzehr von Produkten mit dem gepanschten Färbemittel schützen, sagt Sabine Holzäpfel von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: „Normalerweise müssen Farbstoffe zugelassen und gekennzeichnet sein. Sie tauchen in der Zutatenliste auf.“ Holzäpfel rät daher dazu, diese gut zu überprüfen. Zusatzstoffe in Lebensmitteln lehnt sie aber nicht grundsätzlich ab. „Man muss sich klar machen: Sogar Ascorbinsäure, die nichts anderes ist als Vitamin C, hat eine E-Nummer“, sagt sie. Bei gefärbten Lebensmitteln komme es stets auf den Einzelfall an.

Im Biobereich sind generell weniger Zusatzstoffe zugelassen

Wichtig sei aus Sicht der Verbraucherzentrale, dass ein Farbstoff sicher ist – dass er für das Lebensmittel zugelassen und damit gesundheitlich unbedenklich ist. „Unser Problem“, sagt Holzäpfel, „ist aber häufiger, dass von Seiten der Hersteller versucht wird, für bestimmte Lebensmittel eine höhere Qualität vorzutäuschen.“ Durch eine intensivere Färbung wirken viele Produkte ansprechender, in Lebensmitteln wie Fruchtjoghurts ersetzen Farbstoffe außerdem wertgebende Inhaltsstoffe Zutaten wie Erdbeeren oder Kirschen – sie spiegeln also einen höheren Fruchtgehalt vor.

Gesundheitlich bedenklich muss das nicht sein. Wem es allerdings wichtig ist, sich möglichst frei von Zusatzstoffen zu ernähren, der sollte auf stark verarbeitete Lebensmittel verzichten, stattdessen Grundnahrungsmittel bevorzugen, sagt Holzäpfel. Oder auf Biolebensmittel zurückgreifen: „Im Biobereich sind generell viel weniger Zusatzstoffe zugelassen.“ Künstliche Farbstoffe dürfen Bioprodukte nach den Vorschriften der EU-Öko-Verordnung generell nicht enthalten.