Nicht nur in Stuttgart: die stark gestiegene Zahl von Häftlingen aus nordafrikanischen Ländern bereitet den Gefängnissen in vielen Bundesländern Sorge. Foto: dpa

Das schwierige Verhalten von Häftlingen aus nordafrikanischen Ländern bereitet den Gefängnissen in Baden-Württemberg und anderen Bundesländern Sorge. Besonders betroffen seien laut einer Umfrage Metropolen.

Berlin/Stuttgart - Die zum Teil stark gestiegene Zahl von Häftlingen aus nordafrikanischen Ländern bereitet in vielen Bundesländern den Justizbediensteten Sorge. Einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur zufolge räumen zum Beispiel die Justizbehörden in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Sachsen, Berlin und Hessen ein, dass bei der Häftlingsgruppe oft ein schwieriges Verhalten festgestellt werde.

Das Problem betreffe zwar mehr oder minder alle Bundesländer, sagte der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschland, René Müller. „Besonders sind aber die Metropolen betroffen.“

Den Justizbediensteten in Deutschland brennt das Thema, wie man mit Häftlingen aus Nordafrika umgehen soll, besonders unter den Nägeln. Diesen Gefangenen geht der Ruf voraus, sehr schwierig zu sein, ein sehr „forderndes Verhalten“ an den Tag zu legen und besonders gegenüber weiblichem Gefängnispersonal respektlos zu sein.

Zunächst muss man feststellen, dass nicht alle Bundesländer in gleicher Weise von dem Problem betroffen sind. Viele Häftlinge aus Nordafrika gibt es in Baden-Württemberg, wo sich in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Häftlinge aus Maghreb-Staaten auf 375 verdoppelt hat. Auch in Nordrhein-Westfalens Gefängnissen hat sich die Zahl der betreffenden Gefangenen von 2014 bis 2016 mehr als verdoppelt und liegt nun bei 812, ist inzwischen aber wieder leicht rückläufig. Und in Sachsen hat sich die Zahl der Gefangenen aus Algerien, Libyen, Marokko und Tunesien im Lauf des vergangenen Jahres um etwa 40 Prozent auf 255 erhöht.

In Baden-Württemberg sollen die Justizbediensteten Sprachkurse bekommen

Andere Bundesländer haben nicht so viele Häftlinge aus Nordafrika. In Niedersachsen etwa waren nach Angaben des Justizministeriums mit dem Stichtag 31. Dezember insgesamt 33 Menschen aus Marokko, Algerien und Tunesien in Untersuchungshaft - Ende 2014 waren es 22. Und aus Brandenburg heißt es, dass in dieses Bundesland nach dem Verteilungssystem der Bundesländer keine Flüchtlinge aus Nordafrika kommen, dafür seien dort mehr Tschetschenen. Dennoch sind nach Auffassung des Vorsitzenden des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, René Müller, mehr oder minder alle Bundesländer von dem Problem betroffen.

Auffallend sei dabei ein oft respektloses Verhalten gegenüber Vollzugsbeamten, insbesondere Frauen, sagt Steffen Tanneberger vom baden-württembergischen Justizministerium. Im NRW-Justizministerium heißt es, Gefangene aus Maghreb-Staaten zeigten häufig ein forderndes Auftreten, verbunden mit der Drohung, sich selbst zu verletzen oder umzubringen. Sie gestikulierten oft wild, ihr spontanes Verhalten sei schwer einzuschätzen. Häufig befolgten diese Häftlinge Anweisungen nicht, sie seien zudem uneinsichtig bei Fehlverhalten. Die Probleme seien recht massiv, sagt Müller. „Das sind nicht nur Sprachbarrieren, sie neigen schon mehr zu Gewalt, als wir es bei anderen Gruppen haben.“

Aus dem bayerischen Justizministerium heißt es hingegen, respektloses Verhalten könne nicht in besonderer Weise Gefangenen aus Nordafrika zugeordnet werden. Ähnlich sagt ein Sprecher des niedersächsischen Justizministeriums: „Es wäre zu kurz gegriffen, lediglich Gefangene aus Maghreb-Staaten als „problematisch“ zu beschreiben.“ Gefangene aus anderen Kulturkreisen, aber auch aus dem Bereich organisierter Kriminalität stellten den Justizvollzug immer wieder vor Herausforderungen.

Einige Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen wollen mehr Deutsch-Kurse für Häftlinge. NRW stellte außerdem 45 Integrationsbeauftragte für alle Justizvollzugsanstalten ein. Auch Sachsen will befristet Dolmetscher sowie weitere Psychologen einstellen und die Bediensteten besser schulen.

In Baden-Württemberg sollen die Justizbediensteten Sprachkurse bekommen. Das Land prüft unter anderem den Einsatz von Videodolmetschern, ebenso Bayern. Auch Schleswig-Holstein setzt auf Sprachkurse für Gefängnismitarbeiter und externe Dolmetscher.

Kaum muslimische Seelsorger in den Gefängnissen

Bayerns Gefängnisse böten nahezu flächendeckend Deutschkurse an und setzen auf die interkulturelle Kompetenz der Bediensteten, teilt das Ministerium in München auf Anfrage mit. Auch die Stellenzahl im bayerischen Strafvollzug sei seit 2013 um 437 neue Planstellen erhöht worden, im Nachtragshaushalt 2016 seien insgesamt 260 neue Justizstellen speziell zur Bewältigung der Flüchtlingskrise geschaffen worden.

Grundsätzlich müssten die Länder noch mehr in Ausbildung und Schulung der Bediensteten, aber auch in mehr Personal investieren, fordert Gewerkschaftschef Müller. „Im Vollzug ist Manpower unabdingbar. Wenn wir Kollegen haben, die 40 oder 50 Gefangene auf einer Station haben, finden die nicht mehr die Zeit, sich mit ihnen individuell auseinanderzusetzen.“ Bundesweit fehlten etwa 2000 Beamte im Strafvollzugsdienst. Wegen der Personalknappheit könnten die Bediensteten Schulungen oft nicht besuchen, weil sonst die Stationen unterbesetzt seien.

Auch Gefängnis-Imam Cimsit fordert eine bessere interkulturelle Schulung der Bediensteten. Probleme ergäben sich seiner Ansicht nach häufig aus einer mangelnden Betreuung der Häftlinge oder aus Missverständnissen heraus. „Was wir aber auf jeden Fall brauchen, ist die flächendeckende Einführung der muslimischen Gefängnisseelsorge“, sagt er. Gemessen an der Zahl muslimischer Inhaftierter gebe es kaum muslimische Seelsorger in den Gefängnissen, auch weil die Finanzierung schwierig sei. Es reiche nicht, alle 14 Tage einen Gottesdienst anzubieten. Das habe nichts mit Seelsorge zu tun - ein Seelsorger müsse schnell vor Ort sein, wenn es Probleme gebe.

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