Mit interaktiver Grafik - Eine Rolex für wenig Geld, eine Markenbrille zum Schnäppchenpreis – gefälscht sind die Waren in vielen Ländern an jeder Ecke erhältlich. In der EU ist die Einfuhr von Raubkopien zwar erlaubt. Es kommt aber auf die Menge an.

München - Das Krokodil reißt sein Maul ein bisschen zu weit auf, als dass es für das Original gehalten werden kann. Doch das ist nur auf den zweiten Blick festzustellen. Ansonsten gleicht das Shirt in dieser Strandboutique exakt den Hemden der teuren Geschäfte der Stuttgarter Innenstadt. Den Unterschied macht der Preis: Das Shirt, das normalerweise 90 Euro kostet, ist für 5 Euro zu haben. Ganz klar eine Fälschung – wie sie in vielen Urlaubsländern wie der Türkei oder Thailand an jeder Ecke zu haben sind.

Und trotzdem wird zugegriffen. Millionen deutsche Touristen erliegen jeden Sommer wieder dem Reiz, stapelweise abgekupferte Designer-Artikel, Medikamente oder Kosmetika aus den Ferien mitzubringen. Hauptsache billig, und das Etikett macht zu Hause Eindruck. Doch damit die Schnäppchen im Heimatland am Zoll doch nicht teurer werden als das Original, gilt es, ein paar Regeln zu beachten. Und eine klingt dabei durchaus großzügig: Denn ein bisschen Designer-Imitat für den Privatgebrauch darf tatsächlich sein. Der Handel mit Fälschungen ist zwar verboten. Der Besitz bis zum Wert von 430 Euro pro Person aber nicht, wenn diese auf Reisen außerhalb der Europäischen Union erstanden wurden.

Kommt ein Urlauber etwa mit einer nachgemachten Uhr samt Handtaschen-Imitat im Gepäck zurück, obendrauf noch ein paar gefälschten T-Shirts und Jeans, gibt das beim Zoll noch keine Probleme. Bei Dutzenden imitierter Uhren im Gepäck plus massenweise T-Shirts, Hemden, Jeans und Schuhen in verschiedenen Größen hört die Straffreiheit dagegen schnell auf, wie der Münchner Rechtsanwalt Alexander Gaul erklärt, der im Namen von Luxusherstellern gegen großangelegte Produktpiraterie vorgeht.

Die Raubkopien dürfen zusammen die Summe von 430 Euro nicht überschreiten

Das Einführen größerer Mengen Plagiate nach Deutschland ist schlichtweg illegal. Wird ein Tourist mit Koffern voller Imitate erwischt, gehen die Zollbeamten davon aus, dass die Mitbringsel weiterverkauft werden sollen. „Unwissenheit schützt nicht vor Strafe“, sagt auch Thomas Meister, Sprecher des Hauptzollamts am Münchner Flughafen. Das gilt selbst für Urlauber, die etwa auf dem Basar in Antalya nur für die Neffen und Nichten zu Hause miteingekauft haben.

Wer im Urlaub nicht widerstehen kann und sich mit Billig-Imitaten für den Privatgebrauch ausstaffieren will, darf es also nicht übertreiben. Die mitgebrachten Raubkopien dürfen zusammen die Summe von 430 Euro nicht überschreiten. Und zwar pro Person. „Dabei zählt der tatsächlich gezahlte Preis am Urlaubsort, nicht der Originalpreis daheim“, sagt der Rechtsexperte Meister. Diese Freimenge gilt bei der Rückreise per Flugzeug oder Kreuzfahrtschiff. Bei der Einreise per Bahn oder Auto liegt das Limit bei 300 Euro. Kinder unter 15 Jahren dürfen Plagiate im Wert von 175 Euro mitbringen.

Wer mehr eingepackt hat, muss noch vor Ort einen Zollzuschlag als eine Art Bußgeld zahlen. Schlimmstenfalls droht ein Steuerstrafverfahren. Denn mit dem Durchschreiten des grünen Ausgangs am Flughafen gibt der Reisende unausgesprochen eine Art Steuererklärung ab. Ist die Freimenge überschritten, wird der Urlauber für den überschrittenen Wert zur Kasse gebeten. Kann er keine Kaufbelege vorzeigen, wird die Ware von den Zollbeamten geschätzt.

Billige Materialien können Allergien auslösen

Wem nachgewiesen werden kann, dass er mit Fälschungen handeln wollte, macht sich des sogenannten Inverkehrsbringens von markenverletzender Ware strafbar. Zudem kann die Firma, deren Markenrechte verletzt wurden, Schadenersatzansprüche geltend machen. Die Unterlassungserklärung allein etwa kostet schon 1000 Euro aufwärts.

Plagiate kaufen sei „kein Kavaliersdelikt“, warnt der Jurist Gaul. Jedem müsse klar sein, dass er Firmen damit schade. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt den durch Raubkopien verursachten Schaden weltweit auf über 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Auch der eigene Schaden kann höher sein als gedacht: Denn Fälschungen sind häufig billig produziert und von schlechter Qualität. Parfums, Cremes und andere Pflegeprodukte können allergieauslösende Stoffe enthalten, auch Textilien werden oft mit Chemikalien behandelt, die gesundheitliche Probleme verursachen können. Auf keinen Fall sollten im Ausland Arzneimittel gekauft werden, warnen Mediziner. Oft sind die Wirkstoffe von schlechter Qualität und können völlig anders wirken als die Mittel zu Hause.

Einkaufsregeln für Reisende

Einkaufsregeln für Reisende

Strafen im Inland: Wer nach Abzug seines Freibetrags mit Einkäufen bis 700 Euro erwischt wird, muss eine Pauschalsteuer von 17,5 Prozent zahlen. Dies gilt auch, wenn der Reisende im Nicht-EU-Ausland teure Originale erstanden und den Kauf nicht deklariert hat. Übersteigen die Werte die 700-Euro-Grenze, kassiert der Zoll sogar zweimal: 19 Prozent Einfuhrumsatzsteuer sowie einen Zollsatz je nach Warenart. Für Textilien kann dieser bis zu 14 Prozent ausmachen, für Goldschmuck 2,5 oder für einen Golfschläger 2,7 Prozent. Die Raubkopien kann der Zoll einziehen und auf Kosten des Urlaubers vernichten. Vorsicht auch bei Arzneimitteln: Mehr als ein Dreimonatsbedarf an Medikamenten im Gepäck ist verboten.

Strafen im Ausland: In anderen EU-Ländern können Käufer von Imitaten härter als in der Bundesrepublik belangt werden. Wer etwa am Strand in Italien eine gefälschte Handtasche kauft und von den Carabinieri gestellt wird, sollte sich über 1000 Euro Strafe nicht wundern, warnt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. In Frankreich wiederum droht beim Besitz von Plagiaten sogar Gefängnis.

Einkaufen in EU-Ländern: Zwischen den 27 EU-Mitgliedstaaten besteht freier Warenverkehr. Das heißt: Aus Italien, Österreich oder Frankreich dürfen Urlauber so viel Kleidung, Schmuck oder Golfsachen mitnehmen, wie sie wollen – sofern es sich nicht um Fälschungen handelt. Strenge Grenzen gibt es dafür bei Genussmitteln: Auf Reisen innerhalb der EU sind nur 800 Zigaretten als Mitbringsel erlaubt, 90 Liter Wein, 110 Liter Bier, 10 Liter Likör oder Schnaps mit einem Alkoholgehalt von mehr als 22 Prozent.

App für Reisende: Antworten auf typische Fragen zu der Einfuhr von Produkten liefert die neue App „Zoll und Reise“, die im Apple App Store und im Google Play Store (Android-Market) kostenlos heruntergeladen werden kann. (grä/wa)