Ein Arbeiter lackiert einen Fahrradrahmen. Bleiben gefährliche Abfälle zurück, droht Ungemach aus Brüssel. Foto: Fotolia 108461176

Aus Brüssel droht Ungemach: Wenn die Europäische Union bei der geplanten Abfallrichtlinie nicht noch einlenkt, verschärft sich für viele Betriebe die Bürokratie.

Brüssel - Es ist Alltag im Handwerk: Ein Heizungsmonteur erneuert bei einer Ölheizung den Brenner. Bei den Arbeiten tritt in kleinen Mengen Heizöl aus, die der Geselle mit Tüchern aufwischt. Wenn der Auftrag erledigt ist, wird selbstverständlich die Baustelle sauber zurückgelassen. Das heißt: Der Monteur wird die verölten Wischtücher im firmeneigenen Wagen mitnehmen und beispielsweise auf dem Betriebsgelände zwischenlagern, bis sie fachmännisch entsorgt werden. Künftig könnte das nicht mehr so ohne Weiteres gehen.

Aus Brüssel droht Ungemach. Die verölten Lappen fallen in die Kategorie „gefährlicher Abfall“. Nach EU-Plänen sollen Unternehmer „gefährliche Abfälle“ künftig nur noch dann transportieren dürfen, wenn sie dies gegenüber der Behörde zuvor angezeigt haben.

Auch der Anstreicher, der nach getaner Arbeit Farbtöpfe übrig hat, in denen sich noch Reste von lösungsmittelhaltigen Lacken und Farben befinden, ist betroffen. Auf dem Rückweg von der Baustelle drohen Probleme. Die Farbenreste gelten als „gefährlicher Abfall“.

Die EU-Kommission hat die alte Richtlinie überarbeitet

Wenn die EU ihre Pläne für die Reform der Abfallrichtlinie nicht ändert, darf der Maler bald die angebrochenen Farbeimer nur wegfahren, wenn er zuvor einmalig die Behörden über Transporte dieser Art in Kenntnis gesetzt hat. Auch Fenster mit einem alten Holzrahmen fallen in die Kategorie „gefährlicher Abfall“, da niemand weiß, mit welchen möglicherweise belasteten Lacken sie behandelt wurden. Ebenso FCKW-haltige Kältemittel, die ein Handwerker bei der Wartung aus einer Klimaanlage ablässt, dürften nicht ohne weiteres abtransportiert werden. Selbst wenn es sich typischerweise nur um vergleichsweise geringe Mengen von weniger als drei Kilogramm handelt und der Monteur in seiner Lehre den fachmännischen Umgang mit Chemikalien gelernt hat.

Diese Zukunftsszenarien sind nicht abwegig. Die EU-Kommission hat ihre Vorschläge für eine Überarbeitung der Abfallrichtlinie aus dem Jahr 2008 vorgelegt. Die Pläne zielen eigentlich auf die Unternehmen der Entsorgungswirtschaft ab. Also Firmen, deren Geschäftsmodell die fachgerechte Entsorgung von gefährlichen und ungefährlichen Abfällen ist.

Wer professionell und in großen Mengen Müll entsorgt, sollte bei den Behörden bekannt sein. Keine Frage. Aber wie steht es mit Handwerkern, bei deren Arbeiten immer wieder kleinere Mengen gefährlicher Stoffe anfallen? Obwohl sie gar nicht im Fokus des Gesetzgebers sind, könnten die Handwerksunternehmen nun in Mit-Haftung kommen.

Ein Ausnahmegenehmigung für Handwerker ist nicht vorgesehen

Die Experten bei den Handwerkskammern sind alarmiert: Die EU sieht nämlich keine Schwellenwerte bei den Regelungen zu den gefährlichen Abfällen vor. Schon ein Friseur, der eine defekte Leuchtstoffröhre in seinem Laden demontiert und zum Recyclinghof bringen wollte, dürfte dies streng genommen künftig nicht mehr. In der Röhre sind geringe Mengen von Quecksilber enthalten. Und damit ist das defekte Leuchtmittel „gefährlicher Abfall“.

Bislang gilt in Deutschland eine Ausnahmegenehmigung. Handwerker dürfen im Jahr bis zu 2000 Kilogramm gefährlicher Abfälle in firmeneigenen Fahrzeugen von der Baustelle abtransportieren, ohne dass sie dies gegenüber den Behörden anzeigen müssen. Es deutet aber wenig darauf hin, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren auf Brüsseler Parkett noch eine Öffnungsklausel in den Text der Richtlinie gelangt. Ohne Öffnungsklausel würde das Schreckensszenario für das Handwerk eintreten.

Die Bundesregierung unterstützt das Handwerk

Nachdem die Kommission ihren Vorschlag gemacht hat, sind nun das Parlament und die Mitgliedsländer am Zug. Die zuständige Expertin im EU-Parlament, die italienische Sozialdemokratin Simona Bonafe, wird nach Informationen unserer Zeitung in ihrem Bericht, der an diesem Mittwoch veröffentlicht wird, jedenfalls keinen Schwellenwert für gefährliche Abfälle fordern. Wie sich die Mitgliedsländer positionieren, ist noch nicht absehbar. Klar ist nur, dass die Bundesregierung das Handwerk unterstützt. In der Stellungnahme aus Berlin heißt es: Deutschland „schlägt vor, eine verhältnismäßig geringere Ausnahme für gefährliche Abfälle vorzusehen“. Zum Beispiel zwei Tonnen im Jahr.

Ohne Kleinmengengrenze würden über eine Million Handwerksbetrieben in Deutschland mit rund 5,38 Millionen Beschäftigten neue bürokratische Pflichten drohen. Denn den Kunden ist nicht zuzumuten, dass der Abfall auf der Baustelle oder in der Wohnung zurückbleibt. Um seiner Pflicht zur Anzeige nachzukommen, muss ein Unternehmen ein drei- bis vierseitiges Formular bei der Abfallwirtschaftsbehörde ausfüllen. Das kostet zwischen 50 und 150 Euro und dürfte Handwerkerrechnungen verteuern. Damit ist es aber womöglich nicht getan: Die Behörde könnte die Handwerker zum Besuch eines eintägigen Fachkundelehrgangs sowie zum Beibringen eines polizeilichen Führungszeugnisses anhalten, wird befürchtet.