Weiße Kreuze und schwarze Ballons erinnern an die Toten. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Hilfseinrichtungen erinnern auf dem Karlsplatz und mit einem Trauermarsch zur Leonhardskirche an verstorbene Drogenkranke. Sie trauern nicht nur, sie erheben auch Forderungen.

Stuttgart - Weiße Kreuze, schwarze Luftballons und ein Torbogen mit bunten Zetteln: Um diese Symbole hat sich am Freitagmittag eine Gruppe auf dem Karlsplatz versammelt.

Die Kreuze und die Luftballons standen für die Menschen, die im zurückliegenden Jahr an den Folgen ihrer Drogensucht gestorben waren. Der Torbogen für den Zugang der Menschen, die im Alltag aufgrund ihrer Sucht Probleme haben. „Zugang als Menschenrecht“ lautete das Motto des internationalen Gedenktags für verstorbene Drogengebrauchende, der in Stuttgart mit einer Kundgebung und Infoständen am Karlsplatz, mit einem Trauermarsch zur Leonhardskirche und einer Gedenkfeier dort begangen wurde. Die bunten Zettel am Torbogen machten klar, um welchen Zugang es ging: Arbeit, medizinische Versorgung, Wohnungssuche und Behördengänge sind Bereiche, in denen sich die Drogenkranken oft nicht gleichberechtigt fühlen.

Drogenkranke wollen bei Behördengängen ernst genommen werden

Der Seelsorger Uwe Volkert vom Verein Brücke sprach bei der Kundgebung unter anderem das Problem an, dass viele Suchtkranke auf Ämtern nicht ernst genommen werden: „Da spricht man lieber mit dem Sozialarbeiter, der einen begleitet“, sagte er. Beim Drogenkranken entstünde so das Gefühl, nicht gesehen zu werden und nicht erwünscht zu sein. Beim Wohnraum – der in Stuttgart für alle knapp sei – fehle es auch an solchen Wohnungen, welche sich jemand dauerhaft leisten könne, der ein Drogenproblem habe. Der Bogen, den die Organisatoren auf dem Karlsplatz aufgestellt hatten, sollte das „Nadelöhr“ symbolisieren, durch das sich drogenkranke Menschen in vielen Bereichen zwängen müssten, wenn sie einen Zugang haben wollen.

Für Bürgermeister Werner Wölfle (Grüne), den Schirmherr des Gedenktages, ist eine „gesamtgesellschaftliche Bewegung“ notwendig, um das Nadelöhr auszuweiten. Man tue in Stuttgart schon viel und sei da als Stadtverwaltung auch stolz drauf.

Zum Gedenken an die Toten wurden die Luftballons in den Himmel gelassen. Laut der Polizei sind in diesem Jahr bereits zehn Menschen in Stuttgart an den Folgen ihres Drogenkonsums gestorben, sagt Hendrik Weiß, der stellvertretende Dezernatsleiter des Rauschgiftdezernats. Eine verlässliche Aussage über die Todesursachen lasse sich aber noch nicht in allen Fällen treffen, fügte er hinzu. Dazu müsse man erst das Ergebnis einer chemisch-toxikologischen Untersuchung abwarten.

In den Vorjahren konnte ein Großteil der Todesursachen auf eine Überdosierung oder eine Mischintoxikation von Opiat beziehungsweise Opioid sowie Kokain zurückgeführt werden, erläutert Hendrik Weiß. Auch im laufenden Jahr seien das wohl in den meisten Fällen die Todesursachen. Zudem gehe die Kriminalpolizei davon aus, dass die Verfügbarkeit und der Konsum von Heroin im vergangenen Jahr und in diesem Jahr leicht gestiegen seien. Darauf schließe die Polizei, da sie mehr Drogenhändler mit Heroin dingfest machte.