Bundespräsident Joachim Gauck und Königin Máxima der Niederlande wechseln am Rande der Gedenkfeier in Auschwitz ein paar Worte. Foto: dpa

In Anwesenheit zahlreicher Staats- und Regierungschefs hat Polen am Dienstag der Befreiung von Auschwitz vor 70 Jahren gedacht. Unter den Gästen waren auch Bundespräsident Joachim Gauck, wie Königin Máxima der Niederlande und Kronprinzessin Victoria von Schweden.

Auschwitz - 70 Jahre nach der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau haben Überlebende des Holocaust zum Kampf gegen Intoleranz, Gleichgültigkeit und Antisemitismus aufgerufen. „Wir alle müssen uns erinnern“, sagte der ehemalige Auschwitz-Häftling Roman Kent vor fast 50 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, darunter Bundespräsident Joachim Gauck und der französische Staatspräsident François Hollande. „Wenn Sie, die Führer der Welt, sich erinnern, dann wird anderes Unrecht wie in Darfur, Biafra, Kosovo keinen Platz auf der Erde mehr haben.“

Überlebende wie er könnten das in Auschwitz Geschehene niemals vergessen, sagte Kent. „Die Schreie der ermordeten Kinder klingen in meinen Ohren, bis ich sterbe. Die Unmenschlichkeit von damals ist in meine Erinnerung gemeißelt. Diese Erlebnisse halten uns wach bis ans Ende unserer Tage.“ Die Überlebenden könnten nie vergessen - denn dann würde „das Gewissen der Menschheit zusammen mit den Opfern begraben werden.“ „Wir alle müssen unsere Kinder Toleranz und Verständnis lehren“, forderte Kent, dem stellenweise die Stimme versagte. „Wenn ich könnte, würde ich ein elftes Gebot verfügen: Du sollst kein unbeteiligter Zuschauer sein.“

Auschwitz war das größte der nationalsozialistischen Vernichtungslager, in dem mindestens 1,1 Millionen Menschen ermordet wurden. Soldaten der Roten Armee hatten das Lager und die rund 7500 noch lebenden Häftlinge am 27. Januar 1945 befreit.

Totengebet Kaddisch erklingt

Bei der Gedenkfeier vor dem „Todestor“ von Auschwitz mit den beleuchteten Gleisen der Deportationszüge zur Rampe, wo täglich tausende in die Gaskammern geschickt wurden, zeigten auch viele andere der Überlebenden Zeichen der Rührung. Als ein ehemaliger Auschwitz-Häftling nach dem jüdischen Totengebet Kaddisch das El Male Rachamim, das Gebet für die Opfer der Schoah, sang, flossen bei manchen der hochbetagten ehemaligen Häftlinge die Tränen.

Ronald Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses WJC, warnte eindringlich vor einem neuen Antisemitismus. „Lasst das niemals wieder geschehen“, sagte er. Auch heute würden Juden angegriffen, „in Paris, Budapest, London, sogar Berlin“. Der neue Antisemitismus entstehe oft im Nahen Osten. „Aber er findet fruchtbaren Boden rund um die Welt.“

Der polnische Präsident Bronislaw Komorowski nannte in seinem Grußwort Auschwitz eine „Hölle von Hass und Gewalt“. „Erinnern wir uns, wozu der Bruch internationalen Rechts auf Selbstbestimmung führt, das Prinzip der Unverletzbarkeit von Grenzen, Menschenverachtung und Gleichgültigkeit gegenüber dem Bösen.“ Dies wurde als Hinweis auf den Konflikt in der Ukraine gewertet. Der russische Präsident Wladimir Putin nahm nicht an der Gedenkfeier teil.

Máxima der Niederlande unter den Gästen

Zu der internationalen Gedenkfeier in Auschwitz-Birkenau waren neben dem deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck, dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande und dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko auch zahlreiche Regierungschefs und royale Oberhäupter aus Europa gekommen.

Unter den Gästen waren Kronprinzessin Victoria von Schweden, Königin Máxima der Niederlande und ihr Mann Willem-Alexander sowie Guillaume, Großherzog von Luxemburg, und seine Frau Stephanie.

Obama warnt vor wachsendem Antisemitismus

In Washington warnte US-Präsident Barack Obama vor einem wachsendem Antisemitismus. Dabei verwies er auf die jüngsten Terrorangriffe in Paris, bei denen auch Juden getötet wurden. Die Morde mahnten schmerzhaft zur Verpflichtung, Antisemitismus in all seinen Formen zu bekämpfen. Dazu gehöre auch eine „Trivialisierung des Holocausts“.

Die allermeisten Opfer in Auschwitz waren Juden. Aber auch Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene, Polen, Homosexuelle und politische Häftlinge wurden im größten deutschen Vernichtungslager getötet. Als Soldaten der Roten Armee am 27. Januar 1945 das Lager befreiten, fanden sie dort rund 7500 kranke und entkräftete Häftlinge. Die SS hatte sie zurückgelassen, als sie Zehntausende Gefangene auf Todesmärsche in den Westen zwang.

Bundespräsident Joachim Gauck sieht Deutschland 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz in der moralischen Pflicht zum Schutz von Flüchtlingen und Menschenrechten. „Es gibt keine deutsche Identität ohne Auschwitz“, sagte Gauck in einer Sondersitzung des Bundestages. Aus dem Erinnern an das Menschheitsverbrechen des millionenfachen Mordes an Juden ergebe sich ein Auftrag. „Er sagt uns: Schützt und bewahrt die Mitmenschlichkeit. Schützt und bewahrt die Rechte eines jeden Menschen.“ Die Deutschen müssten sich „jeder Art von Ausgrenzung und Gewalt entgegenstellen, und jenen, die vor Verfolgung, Krieg und Terror zu uns flüchten, eine sichere Heimstätte bieten“.

Putin gedenkt in Moskau

Der russische Präsident Wladimir Putin zündete bei einer Gedenkfeier im Jüdischen Museum in Moskau mit Oberrabbiner Berel Lazar schwarze Kerzen an. Putin würdigte dabei auch den großen Beitrag des jüdischen Volkes im Kampf gegen den Faschismus. Eine halbe Million Juden hätten in der Roten Armee gekämpft, fast 200.000 seien gefallen.

In Russland gab es zum Teil empörte Reaktionen, dass Putin als Vertreter der Befreier nicht explizit als Ehrengast zum Gedenken in Auschwitz eingeladen worden war. Die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau, die die Feier organisierte, hatte keine Staats- und Regierungschefs eingeladen. Es sei jedem freigestellt, zu kommen, hieß es. Offizielle Einladungen habe Polen an niemanden verschickt.

Auch in Jerusalem und Prag gab es Veranstaltungen. In Großbritannien stand das Gedenken unter dem Motto „Die Erinnerung am Leben halten“. Die UN-Gedenkveranstaltung mit dem israelischen Präsidenten Reuven Rivlin wurde aus Furcht vor einem Schneesturm in New York verschoben.

Papst Franziskus schrieb: „Auschwitz schreit den Schmerz unermesslichen Leids hinaus und ruft nach einer Zukunft in Respekt, Frieden und der Begegnung der Völker.“.