Bundestagspräsident Norbert Lammert erinnerte auch an Niederlagen und Schwächen des ehemaligen Bundeskanzlers in einer Gedenkfeier des Bundestags. Foto: AFP

Es war der einzige offizielle Trauerakt für den Altkanzler in Deutschland: Der Bundestag gedenkt Helmut Kohl fraktionsübergreifend. Der Parlamentspräsident findet würdigende Worte - und lässt auch die Schattenseiten des Pfälzers nicht aus.

Berlin - Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die historischen Verdienste von Altkanzler Helmut Kohl für die deutsche Einheit und ein friedliches Europa gewürdigt. Der am Freitag nach langer Krankheit gestorbene Pfälzer sei „ein Glücksfall für Deutschland und für Europa“ gewesen, sagte er am Donnerstag in einer Gedenkfeier des Bundestages in Berlin. Lammert zeichnete zugleich das Bild eines Mannes zwischen Integration und Polarisierung: „Kohls Weg säumten nicht zuletzt Verletzungen - die er selbst erlitt und die er anderen zufügte.“

An der Würdigung Kohls im Parlament nahmen neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und zahlreichen Mitgliedern ihres schwarz-roten Kabinetts auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie dessen Amtsvorgänger Joachim Gauck und Horst Köhler teil. Am Ende erhoben sich die Abgeordneten aller Fraktionen zu einer Schweigeminute. Kein Bundeskanzler war bisher länger im Amt als Kohl, der Deutschland von 1982 bis 1998 regierte.

Einziger nationaler Gedenkakt

Die Gedenkstunde des Bundestages wird voraussichtlich der einzige nationale Gedenkakt für den im Alter von 87 Jahren in seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim gestorbenen Altkanzler sein. Am 1. Juli wird es für ihn im Europaparlament in Straßburg den ersten europäischen Trauerakt für einen Politiker geben. Die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angeregte Feier soll Zeichen für die besonderen Verdienste Kohls um die Einheit Europas sein. Die Gestaltung der Gedenkfeiern für Kohl ist auch wegen der Wünsche von Kohls zweiter Ehefrau Maike Kohl-Richter nicht einfach.

Lammert sagte über Kohl: „Wir verdanken es wesentlich ihm, dass sie heute Realität ist, die friedliche Einheit unseres Landes in einem freien und befriedeten Europa.“ Die große Anteilnahme in den Nachbarstaaten und weltweit unterstrichen die herausragende Leistung Kohls als Ehrenbürger Europas. Art und Ort der Würdigung einer solch herausragenden politischen Lebensleistung in und für Deutschland seien aber „bei allem Respekt nicht nur eine Familienangelegenheit“. Der Bundestag sei dafür der bestmögliche Ort.

Persönlichkeit lasse fast niemanden gleichgültig

Die Persönlichkeit Kohls lasse fast niemanden gleichgültig, erinnerte Lammert. „Legendär sind seine integrierende Kraft wie seine polarisierende Wirkung - im Übrigen zwischen den Parteien ebenso wie innerhalb der Union.“ In politischen wie privaten Dingen sei Kohls Gedächtnis phänomenal gewesen.

Lammert erinnerte auch an Kohls Spendenaffäre 1999: „Manche Fehler räumte Kohl selbst ein. Dass sein Abschied nach dem Verlust der Regierungsverantwortung auch aus der aktiven Politik so wurde, wie es die in der Formulierung seines Biografen Hans-Peter Schwarz die Umstände der „kreativen Verschleierung von Parteispenden“ am Ende erzwangen, hängt wieder mit der außergewöhnlichen, bisweilen auch außergewöhnlich sturen Persönlichkeit Kohls zusammen.“

Öffentliche Distanzierung

Der Altkanzler war mit 87 Jahren in seinem Haus in Ludwigshafen-Oggersheim gestorben. Im Dezember 1999 sorgte Angela Merkel als CDU-Generalsekretärin mit einer öffentlichen Distanzierung in Kohls Spendenaffäre wesentlich für seinen Sturz.