Hebamme Ruth Hofmeister (links) betreut Lena Dörr mit ihrem kleinen Sohn Mino Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Im Konflikt um die Hebammen müssen diese „einen erneuten Tiefschlag“ hinnehmen. Die Stuttgarter Geburtshelferinnen hoffen nun zumindest auf die Unterstützung der Stadt.

Stuttgart - Monatelang sah es so aus, als kehre Ruhe ein im Geburtshaus Stuttgart. Zwar sorgen dort jede Menge Babys, kleine Kinder und Schwangere für Trubel in den gemütlich eingerichteten Räumen in der Gaisburgstraße. Doch die wirtschaftliche Situation hatte sich ein wenig entspannt. „Wir haben vier neue Kolleginnen dazu bekommen und waren mit insgesamt neun Hebammen im Team endlich wieder gut aufgestellt“, sagt Ruth Hofmeister, die seit 2008 im Geburtshaus als Hebamme arbeitet. Doch nun blicken die Geburtshelferinnen wieder einer unsicheren Zukunft entgegen. Die Entscheidung einer Schiedsstelle, die im Streit zwischen Krankenkassen und Hebammenverband für Klarheit sorgen sollte, führt für Hebammen in der Geburtshilfe zu einer finanziellen Verschlechterung.

In Stuttgart sind die Hebammen im Geburtshaus die einzigen, die Frauen noch außerklinische Geburten ermöglichen. Frauen wie Lena Dörr, die bereits ihr drittes Kind mit Hilfe von Ruth Hofmeister zur Welt gebracht hat. Zwei Kinder bekam sie im Geburtshaus, ihren sechs Wochen alten Sohn Mino brachte sie in den eigenen vier Wänden zur Welt. „Die vertrauensvolle Beziehung zu den Hebammen hier hat mir eine große Sicherheit gegeben“, sagt sie. Bei Besichtigungen von Geburtskliniken sei es ihr dagegen zu sehr um mögliche Risiken bei einer Geburt gegangen: „Da habe ich richtig Angst bekommen.“

Die Nachfrage nach Hausgeburten nimmt zu

Außerklinische Geburten sind laut Hofmeister gefragter denn je: „In diesem Jahr werden wir schätzungsweise auf 120 Geburten kommen“, sagt die 30-Jährige. „Wir müssen auch immer wieder Frauen auf die Warteliste setzen.“ 2014 half das Hebammenteam 100 Kindern auf die Welt. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 6874 Kinder in Stuttgart geboren.

Mit der Unterstützung der Stadt, die 2014 den Zuschuss für Geburten im Geburtshaus sowie bei Entbindungen zu Hause von 10,23 Euro auf 100 Euro erhöht hatte, konnten die Hebammen den werdenden Müttern weiter einen alternativen Geburtsort anbieten. „Diese Unterstützung der Stadt war die größte Wertschätzung, die wir im Kampf um unsere Existenz erfahren haben“, sagt Ruth Hofmeister. Doch die Finanzspritze ist bis Ende des Jahres befristet. Zwar hat das Gesundheitsamt bereits einen Antrag auf Verlängerung im Gemeinderat gestellt. Doch darüber wird erst in den kommenden Haushaltsdebatten entschieden.

Eine andere Entscheidung ist dagegen schon gefallen – allerdings nicht zum Vorteil der Hebammen. Da der Spitzenverband der Krankenkassen und der Hebammenverband sich in den Verhandlungen nicht einigen konnten, sollte eine Schiedsstelle beschließen, wie der Ausgleich der ständig steigenden Haftpflichtversicherung für Hebammen aussehen soll.

Freiberufliche Hebammen müssen finanzielle Einbußen hinnehmen

Die Schiedsstelle entschied, dass künftig für alle in der Geburtshilfe tätigen, freiberuflichen Hebammen nur noch der sogenannte Sicherstellungszuschlag gelten soll. Dieser gleicht jedoch lediglich Versicherungskosten in Höhe von maximal 4400 Euro pro Jahr aus – für die Differenz von knapp 1900 Euro müssten die Hebammen selbst aufkommen. Das bedeutet nicht nur für Freiberuflerinnen, sondern auch für selbstständige Hebammen an Krankenhäusern eine Verschlechterung. Ein weiterer Streitpunkt sind die sogenannten Qualitätskriterien bei Hausgeburten, die die Schiedsstelle festgelegt hat. Künftig ist unter anderem eine zusätzliche ärztliche Untersuchung vorgeschrieben, wenn der errechnete Geburtstermin um drei Tage überschritten ist. „Falls der Arzt dabei in Haftung genommen werden kann, würde das das Aus für die außerklinische Geburt bedeuten“, befürchtet Ruth Hofmeister. Bisher war erst die Terminüberschreitung von 14 Tagen ein relatives Ausschlusskriterium für eine Hausgeburt. „Es gibt keine wissenschaftliche Erklärung für diese neuen Regeln“, kritisiert die Geburtshelferin.

Das Geburtshaus stand bereits Anfang 2014 kurz vor dem Aus: Bedingt durch die allgemein schwierige Situation der Hebammen in Deutschland fand das Geburtshaus keine neuen Kolleginnen, doch die verbliebenen Hebammen konnten die Arbeit nicht mehr allein bewältigen. Hebammen waren damals deutschlandweit auf die Straßen gegangen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Unterstützt wurden sie von zahlreichen Müttern, die ihre Wertschätzung ausdrücken wollten. Auf Druck der Bundesregierung hatte sich schließlich eine Gruppe von mehreren Versicherern bereit erklärt, die Hebammen abzusichern. Diese Regelung gilt jedoch nur bis Mitte des Jahres 2016.

Das Geburtshaus sucht neue Kolleginnen

Mit der Entscheidung der Schiedsstelle befürchten die Hebammen nun, dass der Beruf immer unattraktiver für den Nachwuchs wird. Auch im Stuttgarter Geburtshaus ist man wieder auf der Suche nach neuen Kolleginnen. Drei Hebammen verlassen das Geburtshaus – eine möchte an einer Hochschule unterrichten, zwei sind selbst schwanger. Darunter auch Ruth Hofmeister. „Es fällt mir sehr schwer zu gehen, weil ich nicht weiß, ob ich wiederkommen kann“, sagt sie. Hebamme zu sein sei zwar ihr absoluter Traumberuf, aber sie befürchte, dass die Rahmenbedingungen es ihr immer schwerer machen, diesen weiter auszuüben. Vielleicht ist deshalb der kleine Mino eines der letzten Babys, das sie zur Welt gebracht hat.