Ein nicht alltäglicher Fall beschäftigt das Landgericht Rottweil Foto: dpa

Ein Gastronom aus Tübingen steht vor dem Ruin - seine Pächter sind ihm Zehntausende Euro schuldig. Jeden Monat wächst die Klageforderung. Doch er wartet seit Monaten vergeblich auf einen gerichtlichen Verhandlungstermin: Krankheit, Resturlaub und schließlich der Ruhestand der Richterin standen dem zuletzt im Weg.

Rottweil - Am 26. Februar findet vor dem Landgericht Rottweil die mündliche Verhandlung über eine Räumungs- und Zahlungsklage statt. Nichts daran ist ungewöhnlich. Jemand vermietet, der Mieter zahlt nicht, der Vermieter will sein Geld und Zugang zu seiner Immobilie – juristisches Alltagsgeschäft.

Das "grenzt an Rechtsverweigerung"

Aber an diesem Fall ist nichts alltäglich. Nicht wenn der Anwalt des Klägers, Rolf Eissler, sich genötigt sieht, sich schriftlich an den Justizminister zu wenden, weil seinem Mandanten „aufgrund der Terminierungspraxis des Gerichts der Rechtsschutz verwehrt“ werde. Nicht wenn er gegenüber den Stuttgarter Nachrichten davon spricht, dass die Praxis des Landgerichts „eine geradezu kochbuchmäßige Anleitung zum Prozessbetrug“ darstelle. Und nicht wenn er in einem Schreiben an den Gerichtspräsidenten Foth den Vorwurf erhebt, die vom Gericht gewählte Verfahrensweise sei „skandalös“ und „grenzt an Rechtsverweigerung“.

Gerichte sollen Bürgern zu ihrem Recht verhelfen. Verhindert das Landgericht in diesem Fall genau dies? Der Vorwurf steht im Raum.

Es klagt der griechische Gastronom Nikolaos Papageorgiou aus Tübingen. Ihm gehören auch eine Gaststätte in Oberndorf und ein Hotel in Alpirsbach. Er hatte die Objekte an griechische Landsleute verpachtet. Aber es gibt erhebliche Pachtrückstände. Gespräche verlaufen offenbar unerfreulich und führen zu nichts.

Als im April und Mai keine Pacht mehr eingegangen sein soll, kündigt Papageorgiou die Verträge im Mai und fordert die Pächter zur Räumung und Herausgabe der Objekte auf. Nachdem die Pächter keine Anstalten dazu machen, erhebt er Räumungs- und Zahlungsklage.

Pachtrückstände von rund 90 000 Euro

Und jetzt wird die Sache brisant. Es geht ins juristische Klein-Klein: Es handelt sich – im Juristendeutsch – um eine „Räumungssache“. Bei der sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass sie „vorrangig und beschleunigt“ durchzuführen ist. Der Grund ist klar: Monat für Monat erhöht sich bei ausstehender Mietzahlung die Klageforderung, aber auch der ökonomische Druck auf den Kläger.

Der vorliegende Fall entwickelt sich zu einem Musterbeispiel für den Sinn der vom Gesetzgeber festgelegten vorrangigen Behandlung: Bis heute hat keine Gerichtsverhandlung stattgefunden. Anberaumt ist sie auf den 26. Februar – rund neun Monate nach Klageerhebung! Bis dahin, rechnet der Rechtsanwalt des Klägers zusammen, sind für beide Objekte zusammen Pachtrückstände von rund 90 000 Euro aufgelaufen. Beide Häuser sind zudem bis heute nicht herausgegeben und können also nicht neu verpachtet werden. Was das für einen Geschäftsmann bedeutet, ist leicht zu erahnen.

Eigentlich hatte das Gericht die Verhandlung auf den 13. November anberaumt – selbst das ein bemerkenswerter Abstand zur Klageeinreichung. Das Sommergeschäft war damit für den Kläger längst ersatzlos verloren. Auf ein Schreiben des Anwalts teilt das Gericht mit, dass ein früherer Termin eben „nicht möglich“ sei.

Die Richterin ist krank, nimmt Resturlaub, geht in Ruhestand

Aber es kommt schlimmer. Zwei Tage vor dem Termin der Verhandlung teilte das Landgericht per Telefax mit, dass der Termin wegen Erkrankung der Richterin nicht stattfinden könne. Telefonisch hieß es, die Richterin habe Grippe. Als der Anwalt dieses Argument vorbringt, wird ihm dann erklärt: Die Richterin scheide zum 31. Januar 2015 beim Landgericht Rottweil aus. Vor dem Ausscheiden müssten noch restliche Urlaubstage genommen werden. Deshalb sei eine frühere Terminierung eben nicht möglich.

Anwalt Eissler wendet sich daraufhin schriftlich an den Präsidenten des Landgerichts Rottweil, Dietmar Foth. Im Schreiben heißt es: „Der Kläger, der sich mit seiner Klage in die Hand der Justiz begibt, ist bis dahin wirtschaftlich ruiniert.“ Der Präsident hat geantwortet. Er bedauert: „Angesichts der Terminlage“ im zuständigen Referat sei ein neuer Termin noch in 2014 „nicht möglich“.

Das Referat sei „bis an den Rand austerminiert“. Vom 20. Dezember bis zum 31. Januar werde die zuständige Richterin Urlaub haben. Zum 31. scheide sie dann aus. Der Kollege, der zum 1. Februar übernehmen werde, „muss sich zunächst in das Referat einarbeiten“. Der 26. Februar sei „damit der frühestmögliche Termin“.

Rolf Eissler sagt, so etwas habe er „in 30-jähriger Praxis im Zivilrecht noch nicht erlebt“. Ach ja, der Landesjustizminister hat geantwortet. „In der Sache nichtssagend“, fasst Eissler das Schreiben zusammen.