Die Wirtin Sanja Dupor mag die Mesusa. Sie hält die Schriftkapsel an die Stelle, an der sie bis 2013 hing. Foto: Judith A. Sägesser

Am Türrahmen der Wirtschaft „Zum Brückle“ hing bis vergangenes Jahr eine Mesusa. Das ist eine jüdische Schriftkapsel. Als die Tür neu lackiert worden ist, musste die Mesusa weichen. Die Leute haben sie aber nicht vergessen.

Plieningen - Klaus Tropf vermisst die Mesusa. „Sie ist mir immer aufgefallen“, sagt er. Eine Mesusa ist eine Schriftkapsel. In einem traditionellen jüdischen Haushalt wird sie schräg an jedem Türrahmen befestigt – außer an jenen zum Bad, zur Toilette, zum Keller oder zum Abstellraum. Und eben so eine Mesusa hat der 59-jährige Klaus Tropf neben dem Eingang der Plieninger Wirtschaft „Zum Brückle“ entdeckt – und bewundert. Bis die Kapsel irgendwann verschwunden war. „Man sieht nur noch die zwei Nägel am Türrahmen, an denen die Mesusa mal hing“, sagt er.

Das Interesse an der Mesusa ist unterschiedlich groß

Das „Brückle“ ist die Gaststätte von Sanja und Zoran Dupor. Sie haben das Haus – von dem nicht mal Denkmalschützer wissen, wie alt es genau ist – vor drei Jahren gekauft, bewirten die Plieninger dort aber bereits seit sieben Jahren. Das Interesse des Ehepaars an der Mesusa ist unterschiedlich groß. Als die beiden das Gasthaus übernommen haben, „haben wir die Mesusa einfach hängen lassen“, sagt Zoran Dupor. Ansonsten zuckt er mit den Schultern, wenn er auf die Schriftkapsel angesprochen wird. Fragen kamen in den vergangenen Jahren immer wieder, erzählt der 35-jährige Gastwirt. „Bloß konnte ich nichts darauf sagen“, sagt er. Manchmal habe er sogar das Gefühl gehabt, dass er sich für die schräg angebrachte Kapsel am Eingang rechtfertigen muss.

Als die Dupors im vergangenen Sommer angefangen haben, das historische Haus an der Goezstraße von außen zu renovieren, haben sie die jüdische Mesusa mit den Zeichen und Symbolen abgehängt. Denn auch der Türrahmen ist frisch lackiert worden. Seitdem hat Zoran Dupor die Mesusa vergessen. „Ich bin Kroate und katholisch, ich habe nichts mit dem jüdischen Glauben zu tun“, sagt er. „Gestört hat sie mich aber auch nicht.“

Die Wirtin denkt, die Kapsel bringt Glück

Seine Frau Sanja hingegen hat die Mesusa nicht vergessen. „Wie wir Frauen so sind, habe ich sie gleich aufgeräumt“, sagt sie und lächelt. „Ich möchte sie auf jeden Fall behalten.“ Warum, kann sie gar nicht so richtig erklären. „Es ist so ein Bauchgefühl“, sagt Sanja Dupor. „Unsere Vorgänger haben bei der Übergabe ein paar schöne Sätze über das Haus gesagt“, und für die neue Wirtin stand deshalb fest, dass die Mesusa bleibt. Vielleicht, weil Sanja Dupor auch ein bisschen abergläubisch ist, wie sie selbst sagt. Sie denkt, die Mesusa gehört hierher und bringt deshalb Glück.

Über die Plieninger Wirtschaft „Zum Brückle“ gibt es übrigens nicht nur schöne Geschichten. Zoran Dupor hat gehört, dass zu Zeiten des Dritten Reichs in der Gaststätte nur NS-Offiziere ein- und ausgegangen seien. Mit dieser Historie bekommt die Schriftkapsel am Türpfosten noch mal eine ganz neue Bedeutung. Nach den Informationen der Wirte ist sie übrigens erst in neuerer Zeit an den Rahmen genagelt worden.

Die Botschaft im Hohlraum ist geheim

Die Mesusa ist so lang wie ein Kugelschreiber, auf der Vorderseite sind Zeichen, die Rückseite ist mit rotem Papier und mehreren Tesa-Streifen abgeklebt. Die Dupors sagen, sie hätten noch nie in den Hohlraum geschaut. Das dürfe man nicht, sagt Sanja Dupor. Für sie ist das in Ordnung.

Ob Klaus Tropf die von ihm vermisste Mesusa irgendwann wieder am „Brückle“-Eingang hängen sieht, ist ungewiss. Das Wirtspaar will es sich in Ruhe überlegen. Klaus Tropf ist selbst kein Jude. „Es geht mir einfach um das jüdische Leben in Deutschland, und ich habe mich gefragt, wo die Mesusa abgeblieben ist.“