Podiumsdiskussion zur Kooperation zwischen Grundschulen und Sportvereinen im Stuttgarter Rathaus. Quelle: Unbekannt

Bürgermeisterin Eisenmann präsentiert Pläne für die Kooperation zwischen Schule und Vereinen.
 

Stuttgart - Mit Murren waren die Pläne zur Einbindung der Sportvereine in die Ganztagsschule kommentiert worden. Doch nachdem Susanne Eisenmann ihr Konzept vorgestellt hat, gibt es ein Umdenken. "Es ist gesellschaftlich der richtige Weg", sagt Matthias Ranke, Geschäftsführer der Spvgg Feuerbach.

Genau genommen ist der Versuch, den organisierten Sport in der Schule zu etablieren, ein alter Hut. Gerhard Mayer-Vorfelder, damals Kultusminister, forderte dies schon 1985: "Wir müssen das vorantreiben." Die Absicht war gut. Aber das Projekt startete als Tiger und endete als Bettvorleger. "Von 100.000 Mark, die wir in den Landeshaushalt einstellten, wurden nur 10.000 Mark abgerufen", erinnert sich ein Weggefährte von MV. Schon damals zeigte sich, Schule und Vereine zusammenzubringen hat seine Tücken.

Ähnliche Erfahrung machten der Sportkreis und das Sportamt 2004, als man das ursprüngliche Stuttgarter Modell ausklügelte. Auch damals sollte das Konzept zeigen, wie Vereine in die Ganztagesbetreuung eingebunden werden können. Ehrgeizig formulierten die Autoren damals: "Ziel des Sports ist die Schaffung eines qualitativ hochwertigen, flächendeckenden Angebots mit einer nachhaltigen Struktur." Gemessen an den Ansprüchen blieb das Ergebnis bescheiden. "Die Sache ist im Juli 2005 versandet, weil die Vereine die gleichen Fragen stellten, auf die es bis heute keine Antworten gab", sagt Geschäftsführer Matthias Ranke von der Spvgg Feuerbach.

Eisenmann hoff auf Professionalisierung bei den Sportvereinen

Der Historie und den verschiedenen Problemen ist sich Susanne Eisenmann selbstredend bewusst. Sie weiß, welche Klippen sie umschiffen muss. Und wer die ehrgeizige Schulbürgermeisterin schon einmal erlebt hat, der weiß auch: Die Dame kann überzeugen. Mit Wortgewalt und reichlich guten Argumenten. So präsentierte sie auch am Dienstagabend anlässlich einer Podiumsdiskussion ihr neues Konzept, das im Vorfeld von Vereinsvertretern recht skeptisch beäugt wurde. Und siehe da: Nach den ersten Sätzen der Bürgermeisterin zog so mancher Zuhörer die Augenbrauen hoch. "Das soll keine Zwangsbeglückung der Vereine werden und kein Ersatz für den regulären Sportunterricht sein", sagte Eisenmann kämpferisch.

Mit diesem Elan hatten die wenigsten gerechnet. Gut, es war klar, dass die Stadt ihrer "finanziellen Verantwortung" (Eisenmann) nachkommen will, aber dass am Ende des Tages diese Botschaft rüberkommt, überraschte die rund 200 Interessierten im Großen Sitzungssaal des Rathauses. "Für die Leistung von Betreuung und Anleitung sollen die Kräfte 25 Euro Mindeststundensatz erhalten", sagte Susanne Eisenmann, die für diesen Vorschlag natürlich noch die Zustimmung des Gemeinderats braucht. Gleichzeitig denkt sie daran, weitere Geldquellen anzuzapfen. Zum Beispiel Fonds, Spenden, Stiftungen, ja sogar die Kooperationen mit Krankenkassen sollen Geld bringen. Eine Kostenbeteiligung der Eltern ist jedenfalls tabu.

Sollte der Bürgermeisterin dies alles gelingen, wäre die wichtigste Voraussetzung geschaffen: die notwendige Finanzierung der Übungsleiter. Denn nur durch eine lukrative Bezahlung würde die Rekrutierung neuer Übungsleiter leichter fallen, als mancher Vereinsvertreter zunächst argwöhnte. Zum Vergleich: Üblicherweise werden Übungsleiter mit einer Summe zwischen acht und zwölf Euro pro Stunde honoriert. Durch die Bezahlung von 25 Euro hofft Susanne Eisenmann zudem auf "eine Professionalisierung bei den Sportvereinen". Und sie wünscht sich im Falle des Erfolgs, dass das Stuttgarter Modell beispielhaft auf ganz Baden-Württemberg ausstrahlt. Quasi als Pilotprojekt.

Die Kernpunkte des Konzepts

Die Kernpunkte sehen so aus:

Die ganztägigen Betreuungsangebote bis 16 oder 17 Uhr sind verbindlich in den Ganztagsbetrieb eingebunden. Pro Gruppe sollen in der Woche drei Stunden Sport stattfinden.

Das Bewegungsangebot sollte mit anderen pädagogischen Angeboten verzahnt sein. Gemeint sind unter anderem Gesundheitserziehung, kreatives Arbeiten, musische und naturnahe Angebote.

Die Betreuungskräfte müssen professionelle oder halbprofessionelle Ansprüche erfüllen. Eisenmann hat dabei Sportpädagogen, C-Lizenz-Übungsleiter oder Krankengymnasten mit pädagogischer Zusatzausbildung im Auge.

Der Sport soll demnach nur ein Baustein in einem Gesamtangebot am Nachmittag sein. Mit anderen Worten: Schule in dieser Form soll von den Kindern und Eltern als Lebensraum wahrgenommen werden. Und noch etwas wurde bei dieser Diskussion im Rathaus deutlich: Vereine und Schulen müssen alte und ausgetretene Pfade verlassen. Manchem Vereinsvertreter dämmerte es im Laufe der Veranstaltung, worauf es in Zukunft ankommen könnte: nämlich visionär zu arbeiten.

"Wir glauben an die Vereine"

Genau da setzten die Bildungspolitiker in Nordrhein-Westfalen an. "Von NRW können wir uns vieles abschauen", sagte Eisenmann und schickte Matthias Kohl vom dortigen Landessportbund mit einem Impulsreferat aufs Podium. "Uns war klar, dass es Veränderungen geben muss, damit der Sport in einer kommunalen Bildungslandschaft weiterhin erfolgreich sein kann", sagte Kohl und zeigte Möglichkeiten für Vereine auf. Und nicht nur das: Aus Sicht der Bürgermeisterin ist diese zukunftsorientierte Ausrichtung der Vereine auch ein Weg, das "organische Sterben" zu verhindern. Fast liebevoll rief sie den Clubvertretern schließlich zu: "Wir glauben an die Vereine. Sie sind stark genug - und wir helfen ihnen dabei!" Mit dieser Hilfe meinte sie eine Schnittstelle im Schulverwaltungsamt, die zwischen Vereinen und Schulen vermitteln soll.

Diese organisatorische Rolle hätte gerne der Sportkreis Stuttgart übernommen - aber im Konzept der Bürgermeisterin spielt der nur eine Nebenrolle. Zum Ärger des Vorsitzenden Fred Stradinger: "Es wäre sinnvoll und hilfreich, wenn wir die koordinierende Funktion übernehmen würden."

Natürlich bleiben nach diesem Abend noch weitere Probleme. Wie auch die eines Zuhörers, der nach der Zukunft des Leistungssports in diesem Kontext fragte. Dies und Fragen der neu zu schaffenden Infrastrukturen dürften in einem fortlaufenden Diskurs geklärt werden. "Aber eines ist viel wichtiger", sagte Matthias Kohl, der Experte aus NRW, in seinem Schlusswort: "Wir dürfen uns bei diesem Thema nicht am kurzfristig Machbaren orientieren, sondern am langfristig Möglichen."