„Mehr als ein Ikea-Bällebad“ müsse die Ganztagschulbetreuung bieten, fordert die SPD. Foto: dpa

SPD und FDP erheben schwere Vorwürfe, wie das Kultusministerium die Einführung von Ganztagsschulen organisiert. Ministerin Susanne Eisenmann verzögere die Umwandlung bewusst, um die die finanzielle Belastung auf die Kommunen abzuwälzen.

Stuttgart - Nachdem die Bertelsmann-Stiftung Baden-Württemberg bescheinigt hat, beim Ausbau von Ganztagsschulen im Ländervergleich auf dem vorletzten Platz zu sein, kritisiert die Opposition das CDU-geführte Kultusministerium. „Der Ausbau des rhythmisierten Ganztags wird bewusst verlangsamt“, sagt Stefan Fulst-Blei, der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Die grün-schwarze Landesregierung solle endlich ein schlüssiges Konzept für einen qualitativen Ganztag vorlegen, statt „opportune Politik“ zu betreiben. Besonders kritisiert er Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU).

„Derzeit zieht die Kultusministerin durch das Land und verspricht Eltern das Blaue vom Himmel“, führt Fulst-Blei aus. Weiter sei es „paradox“, dass Susanne Eisenmann die Ganztagsschule als besseres Angebot würdige als die reine Grundschulkinderbetreuung, deren Ausbau aber nur halbherzig in Angriff nehme. Ein schlüssiger Finanzierungsplan zu ihrem Vorhaben liege bislang ebenfalls nicht vor. „Grün-Schwarz wird einmal mehr die Kommunen zur Kasse bitten“, sagt Fulst-Blei. In jedem Fall müsse bei der Ganztagsbetreuung mehr herauskommen als „ein Ikea-Bällebad.“

Auch Timm Kern, bildungspolitischer Sprecher der FDP, sieht beim Kultusministerium dringenden Handlungsbedarf – allerdings woanders als die Sozialdemokraten. „Wir fordern unverändert, dass die Wahlfreiheit für oder gegen eine Ganztagsschule im Landesschulgesetz verankert wird“, sagt er. Sprich: Dass sich Eltern nicht für oder gegen eine Ganztagsschule entscheiden müssen, sondern das Angebot auch nur in Teilen beanspruchen können, was aktuell nicht möglich ist. Die „rhythmisierte Ganztagsschule“ sei ohnehin eine vernebelnde Vokabel, „Zwangsganztagsschule“ sei der treffendere Begriff.

FDP befürchtet „faule Kompromisse“

„Abgesehen davon leistet das Kultusministerium zu wenig. Wir vermissen das pädagogisch-didaktische Konzept“, sagt Kern. Schließlich sei eine Ganztagsschule kein Hort. Als Folge der durch die Studie entfachten Diskussion befürchtet Kern lediglich „faule Kompromisse“ zwischen den Grünen und der CDU.

Kultusministerin Susanne Eisenmann will das so nicht stehen lassen. „Eines der zentralen politischen Ziele in dieser Legislatur ist, die Ganztagsschulen im Land quantitativ und qualitativ auszubauen. Bereits heute kommt das Land dem Wunsch nach Ganztagsschulen vor Ort bedarfsgerecht nach und bewilligt alle genehmigungsfähigen Anträge“, sagt sie. Die Annahmen und Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung seien deshalb nicht nachvollziehbar.

Regionale Unterschiede und der Elternwunsch nach flexiblen Betreuungsangeboten blieben in der Studie außen vor. „Die Studie ignoriert, dass sehr viele Eltern eine flexible Betreuung für ihre Kinder brauchen und eben nicht einen ausschließlich verbindlichen Ganztag“, sagt Eisenmann. Für eine bedarfsgerechte und hochwertige Weiterentwicklung der Ganztagsschule liefere die Bertelsmann-Stiftung keine wirklich hilfreichen Anhaltspunkte.

Die Stiftung hat in ihrer Studie anhand eines Modells berechnet, was der flächendeckende Ausbau von Ganztagsschulen bundesweit kosten würde. Bei der Annahme, dass 2025 etwa 80 Prozent aller Schulen in Ganztagsschulen umgewandelt würden, kommt die Studie auf jährliche Personalkosten von 2,6 Milliarden Euro und einmalige Kosten von 15 Milliarden Euro für den Ausbau der Schul-Infrastruktur. Das Projekt sei nur von Kommunen, Land und Bund gemeinsam stemmbar. Folgt man Eisenmanns Ausführungen, werden in Baden-Württemberg auf absehbare Zeit vermutlich etwas kleinere Brötchen gebacken.