Auf die Plätze, fertig, los: Nach dem Willen von Bürgermeisterin Susanne Eisenmann sollen Sportvereine im Ganztagsangebot der Stuttgarter Grundschulen eine wichtige Rolle übernehmen. Foto: baumann

Susanne Eisenmann plant Kooperation mit Ganztagsschulen: Trainer sollen Sport unterrichten.

Stuttgart - Schul- und Vereinssport sind traditionell zwei Paar Stiefel. Doch die Einführung der Ganztagsschulen wird die Sportlandschaft verändern. Auch in Stuttgart, wo in Grundschulen der Ganztagsbetrieb eingeführt wird. Aber die geplante Einbindung der Clubs in den Schulalltag hat enormes Konfliktpotenzial.

Werner Wölfe, damals noch ohne Bürgermeisterehren, schnalzte im Juli dieses Jahres mit der Zunge und sprach von einem "großen Wurf". Dass bis zum Jahr 2018 alle 72 Stuttgarter Grundschulen Lernen und Betreuung über den ganzen Tag hinweg anbieten werden, wurde über alle Fraktionsgrenzen hinweg gelobt. Auch über die Höhe der Kosten, 35 Millionen Euro pro Jahr, waren sich die Stadträte alle einig. Es gab keinen Widerspruch.

In der allgemeinen Jubelstimmung ging allerdings ein Nebensatz von Bürgermeisterin Susanne Eisenmann unter. "Über die Frage, wie wir den organisierten Sport in die Ganztagsbetreuung einbauen, sprechen wir nach der Sommerpause."

Für die Schulbürgermeisterin war da schon klar: "Der Sport muss auf diese Entwicklung reagieren." Das trifft die Sache im Kern. Die Stuttgarter Vereine sind nun gefordert. Sie sollen sich in die Ganztagsbetreuung am frühen Nachmittag einbringen. Doch das ist nach Meinung von Karsten Ewald eine "Illusion". Der Geschäftsführer des MTV Stuttgart und Vorstandsmitglied des Württembergischen Landessportbunds (WLSB) hat größte Bedenken gegen diese Kooperation zwischen Stuttgarter Vereinen und Schulen. Aus seiner Sicht gebe es zu viele Probleme in der Umsetzung - eine Übersicht seiner Argumente:

Das Zeit- und Personalproblem: "Die meisten Vereine haben viel zu wenig Ehrenamtliche, die vor 17 Uhr in die Schulen gehen können", sagt Ewald, "das kann der Vereinssport nicht leisten."

Das Satzungsproblem: "In jeder Vereinssatzung steht, dass man sich in erster Linie um die Mitglieder kümmern muss." Satzungsänderungen wären zwar kein Problem, ergänzt Ewald, aber für einen Auftrag in der Schule müsste sich das gesamte Vereinswesen neu definieren.

Gefährdung des Spielbetriebs: "Aus meiner Sicht wäre nicht der Fortbestand des Ligabetriebs in Gefahr", sagt Karsten Ewald, auch die Förderung und Talentsichtung werde so erschwert.

Die personelle Konstanz: Am Beispiel MTV Stuttgart zeigt sich, wie schwer es ist, einen dauerhaften und zuverlässigen Trainingsbetrieb zu gewährleisten. "Wir haben bei unseren 300 Übungsleitern eine Fluktuationsrate von 20 bis 30 Prozent", sagt Ewald, "man sieht, es ist nicht leicht, in diesem Bereich Konstanz zu wahren. Wenn wir jetzt auch noch für einen Schulbetrieb für diese Konstanz sorgen müssten, dann ginge das über unsere Kräfte."

Das Ausbluten der Vereine: Karsten Ewald fürchtet, dass Kinder den Clubs verloren gehen, weil sie nach dem Schulsport nicht mehr zusätzlich die Vereinsangebote wahrnehmen können und wollen: "Hinterher kommt doch niemand mehr."

Eisenmann stellt ihr Kopnzept vor

Damit steht Ewald übrigens nicht alleine. Matthias Ranke, Geschäftsführer der Sportvereinigung Feuerbach, "teilt diese Bedenken grundsätzlich". "Bei den momentanen Rahmenbedingungen können die Vereine dies nicht leisten", sagt Ranke, "das gilt für uns große Vereine, aber erst recht für die kleinen Clubs in der Stadt." Daher lautet das Fazit der beiden Geschäftsführer: "Dieses Konzept kann so nicht funktionieren." Gemeint ist auch die finanzielle Entschädigung. Also die Übungsleiterpauschale, die bei den jeweilige Vereinen unterschiedlich hoch ist - und sich auch nach dem Grad der Erfahrung und der Qualifikation des Trainers richtet. Im Schnitt bekommen Übungsleiter zwischen acht und zehn Euro pro Stunde.

Nur als Bedenkenträger will Karsten Ewald allerdings auch nicht dastehen. Aus diesem Grund schlägt er der Stadt ein eigenes Konzept vor. Es trägt den Namen "Stützpunkt Ganztagsschule". Anstatt Übungsleiter in die Schulen zu schicken, sollen die Kinder zu den jeweiligen Stützpunkten der Vereine kommen. Gesammelt in Shuttle-Bussen. "Wir sorgen dann dafür, dass die Kinder bei uns Hausaufgabenbetreuung, Nachhilfe und ein Essen bekommen", sagt Ewald.

Podiumsdiskussion im Rathaus

Davon wiederum hält Susanne Eisenmann wenig. Solche Leistungen traut sie allenfalls freien Trägern wie zum Beispiel dem Jugendhausverein, aber keinen klassischen Vereinen zu. Im Übrigen kennt die Bürgermeisterin die Argumente und Bedenken der Clubs, wie sie von Karsten Ewald zusammengefasst wurden. "Ich weiß, dass die Vereinsvertreter denken, dass die Kinder nach der Schule keine Kraft mehr fürs Training hätten", sagt sie und hofft alle Zweifel der Clubs zu entkräften: "Wir haben ein Grundkonzept entwickelt, bei dem die Stadt natürlich finanzielle Mitverantwortung trägt."

Damit spricht sie das wichtigste Problem an: das Geld. Letztlich wird das die entscheidende Frage sein. Wenn die Höhe der Übungsleiterpauschale hoch genug ist, werden die Vereine es leichter haben, qualifiziertes Personal zu finden, die sowohl in der Schule und im Club arbeiten.

Susanne Eisenmann nennt das "Synergieeffekte". Aber genaue Inhalte ihres Konzepts will die Bürgermeisterin erst an diesem Dienstag (18 Uhr) im Rahmen einer öffentlichen Podiumsdiskussion im Großen Sitzungssaal des Rathauses vorstellen. Eines kann sie schon vorab verraten: "Wir wollen bei diesem Konzept, bei dem die Vereine verlässliche Partner sein sollen, Qualität garantieren."

Programm der Podiumsdiskussion:

18 Uhr: Eröffnung durch Oberbürgermeister Wolfgang Schuster.

18.15 Uhr: Vorträge von Matthias Kohl (Landessportbund NRW), Matthias Ranke (Geschäftsführer SpVgg Feuerbach), Dorothea Grübel (Lerchenrainschule).

19.10 Uhr: Vorstellung des Konzepts mit anschließender Diskussion.