Provozierend und aufreizend: Foto: privat

Alice Wonder ist Model und Künstlerin zugleich. Auf ihren Fotografien, die derzeit in der Galerie Nieser ausgestellt werden, setzt sie sich selbst in Szene – ob im Kostüm aus Rasierklingen oder nackt mit einer Gorillamaske.

Degerloch - Das ist neu. Das ist aufregend anders, nicht nur für die Degerlocher Fotogalerie Nieser: Sie ist ein Model, und sie macht die Kunst daraus – selbst. Alice Wonder ist die Frau vor der Kamera, Alice Wonder ist Modelartist. Sie hat sich vom Objekt zum Subjekt gemacht. Am vergangenen Wochenende eröffnete sie ihre Ausstellung „EGO“ mit einer Shooting-Performance im Hof vor der Galerie selbst. Ein paar ihrer Fotografen waren auch da und blieben eher im Hintergrund.

Der Name tut nichts zur Sache. Alice Wonder ist ganz Kunstfigur. Vielleicht das: Sie ist 1985 in Frankreich geboren, 1,74 Meter groß, 54 Kilo schwer, Maße 78-60-89, ein bisschen tätowiert, braunes Haar, braune Augen. Ja, sie modelt auch ganz normal. Im Alltag diesseits ihrer Kunst arbeitet sie mit Behinderten. Alice Wonder versteht sich als darstellende Künstlerin. Sie hat den Spieß umgedreht. Die Fotografen folgen ihren Anweisungen. Sie ist es, die sich ausstellt. Sie inszeniert.

Sex, Fetisch und Kitsch

Es ist alles ein wenig anders bei dieser Ausstellung. Da gibt es Bodenkunst, ein kleines Altar-Tischchen, zwei Motiv-Flip-Flops an der Wand mit dem Titel „Lost“. Davor sitzt eine Puppe auf dem Boden, mit Kopftuch, als Beinkleider Rasierklingen, um die Brust einen seltsamen Über-Büstenhalter aus lauter kleinen Barbie-Pumps. Solche High Heels liegen auch neben dem Rollstuhl im hinteren Raum. Auf dem von Thomas van de Scheck abgelichteten Foto darüber liegt Alice Wonder kopfüber mit roten Rastalocken und Lackhosen in diesem Gerät. „Paraolypix Fetish Edition“ heißt der Titel.

Norbert Fisch hat sie in einem Triptychon als nackte Maskierte abgelichtet, die wie ein Hund aus einem Blechnapf schlabbert. Auch für die Trash-Lady, die auf einem Klo irgendwelche Sex-Spielchen als „Penis Envoy“ veranstaltet, hat er auf den Auslöser gedrückt. Barbara Thielen hat die verkitscht im Grün schaukelnde „Waldfee“ fotografiert und gleich nebenan Alice Wonder mit flammenrotem Haar und all den Tattoos als „Warrior“, als Kriegerin dargestellt. Von ihr stammt auch „Geography“, wo eine nonnenartige Lehr- und Zuchtmeisterin der Schülerin in ihren Ringelstrümpfchen mit dem Rohrstock den nackten Hintern versohlt. Lauter schräge obskure Geschichten, Märchen vom Mädchen im Wunderland.

Das Model sitzt mit Schweinemaske in einem Einkaufswagen

Für eine „Hommage à Munch“ sieht man Alice Wonder wie die Kopenhagener Seejungfrau im Hafen posieren, das Gesicht maskiert mit dem entsetzten Gesicht des „Schreis“. Mit Schweinemaske sitzt das Model im Einkaufswagen, das King-Kong-Gesicht gehört zu einem von Martin Bischof festgehaltenen Arrangement namens „Vitamin B“, bei dem sich die bis auf die Hochhackigen und die Affenmaske Unbekleidete an Bananen erfreut. Wunderschön ein Wasserbild namens „In the Deep“ von Ullision Photography, das die Schwimmende von Schlingpflanzen umhüllt im tiefen Blau zeigt. Oder Jens Burgers Porträt-Nahaufnahme „Coloured Mind“, bei der die Nase von Metallplättchen und rotem Pigmentstaub schimmert.

Das ist eine Fülle von Klischees und Zeichen, von abgedrehten Träumen und schrillen Fantasien. Vielleicht ist es – einziger Einwand – ein wenig zuviel an überbordenden visuellen Eindrücken und Geschichten, gerade für die eher kleinen Räume der Degerlocher Fotogalerie. Aber deutlich wird doch: Hier bestimmt das Model, der Modelartist, hier bestimmt sie. Alice Wonder hat das Klischee umgedreht. Man kann das feministisch finden, aufregend subversiv ist es in jedem Fall.