Liebäugelt mit dem Sprung an die Fellbacher Rathausspitze: Die Göppinger Sozialbürgermeisterin Gabriele Zull (49). Foto: Horst Rudel

Noch vor dem Beginn der Bewerbungsfrist hievt das bürgerliche Lager Gabriele Zull auf den Favoriten-Schild. Die 49-jährige Juristin ist derzeit als erste Beigeordnete bei der Stadt Göppingen tätig.

Fellbach - Neuer Chef im Fellbacher Rathaus wird – möglicherweise – eine Frau: Die 49-jährige Gabriele Zull, bisher als Erste Beigeordnete bei der Stadt Göppingen tätig, will sich als Nachfolgerin von Oberbürgermeister Christoph Palm bewerben. Gut vier Monate vor dem Wahltermin am 18. September kündigt die parteilose Juristin, ihre Kandidatur für den Posten an der Rathausspitze an: „Fellbach ist es mir wert, persönlich noch mehr Verantwortung zu übernehmen und meine gewachsenen Erfahrungen an einer neuen Wirkungsstätte einzusetzen“, betont die Mutter eines zehnjährigen Sohnes in einer am Donnerstag verschickten Mitteilung.

Die Bewerbung ist kein Geheimnis mehr

Mit der Erklärung reagiert die in Reutlingen aufgewachsene und seit 1995 im Göppinger Rathaus beschäftigte Sozialbürgermeisterin auf die durchgesickerten Gerüchte über ihre Wechselabsichten. Nachdem Gabriele Zull die Fraktions-vorsitzenden im Göppinger Gemeinderat über den Bewerbungswunsch informiert hatte, blieben die Gedankenspiele über einen Karrieresprung nach Fellbach im Filstal nicht mehr lange ein Geheimnis.

Auch unterm Kappelberg brodelte die durch diverse Vorgespräche mit der Lokalpolitik befeuerte Gerüchteküche längst – der ursprüngliche Plan, sich vor einer Kandidatur erst einmal die Rücken-deckung der Fraktionen zu sichern, war zum Scheitern verurteilt. Am Donnerstag ergriff die Rechtswissenschaftlerin deshalb die Flucht nach vorn – und sorgte mit der Ankündigung ihrer OB-Kandidatur für einen Frühstart in den Wahlkampf. Offiziell beginnt die Bewerbungsfrist um den Chefsessel im Rathaus erst in gut zwei Wochen am 28. Mai, bis zum 22. August können Bewerber sich in Fellbach melden.

Die Juristin ist so etwas wie die Wunschkandidatin

Steine werden Gabriele Zull allerdings zumindest im bürgerlichen Lager wohl nicht in den Weg gelegt. Im Gegenteil: Für die Christdemokraten und die Doppelfraktion aus Freien Wählern und Liberalen ist die Sozialbürgermeisterin aus dem Filstal so etwas wie die Wunschkandidatin für den Posten des Stadtoberhaupts. „Tenor war bei uns immer, dass wir nach einem gemeinsamen Kandidaten für das bürgerliche Lager suchen müssen“, bestätigt der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Harald Rienth.

Während Fraktionschef Hans-Ulrich Spieth in der Landes-CDU die Fühler nach geeigneten Bewerbern ausstreckte, knüpfte Vermessungstechniker Rienth den Kontakt zu der für die Freien Wähler im Göppinger Kreistag sitzenden Verwaltungsfrau – und hatte bei einem Rundgang vom Weinberghäuschen auf dem Kappelberg bis zum Oeffinger Dorfkern nach eigenem Bekunden keine Mühe, die Kandidatin und ihre Familie von den Vorzügen Fellbachs zu überzeugen. „Der Sohn spielt auch Fußball. Dem habe ich das Elternhaus von Sami Khedira gezeigt“, erzählt Rienth vom erfolgreichen Werbeeinsatz für die Stadt.

Eine Frau an der Spitze ist gewollt

Gezielt fahndete die Herrenriege bei der Bewerbersuche übrigens nach einer Frau als Verwaltungschefin: Ein Mann, so das Kalkül der Christdemokraten, hätte es ungleich schwerer, aus dem Schatten des nach zwei Wahlperioden nicht mehr kandidierenden Amtsinhabers Christoph Palm zu treten. Würde Gabriele Zull am 18. September tatsächlich zur Fellbacher Oberbürgermeisterin gewählt, gäbe es an der Rathausspitze mit ihr, dem Ersten Beigeordneten Günther Geyer und der Baubürgermeisterin Beatrice Soltys ein mehrheitlich weibliches Trio – eine im Land bisher noch eher selten anzutreffende Konstellation.

Untätig war bei der Bewerbersuche auch der bürgerliche Partner nicht: Laut FW/FD-Fraktionschef Ulrich Lenk stellten sich bei den Sondierungsgesprächen fast ein Dutzend denkbarer Kandidaten vor. Dennoch ist der Berufsschulrektor von Gabriele Zull überzeugt: „Ich bin mir sicher, dass wir mit ihr die richtige Wahl getroffen haben“, legt sich der Liberale fest.

Allerdings wollen sowohl die CDU als auch die FW/FD-Fraktion ein Stimmungsbild der Parteifreunde abwarten, bevor sie Gabriele Zull endgültig auf den Favoritenschild hieven. Bei den Christdemokraten stellt sich die Bürgermeisterin aus Göppingen an diesem Freitag um 18 Uhr der Basis vor, zwei Stunden später ist das liberale Lager an der Reihe, die Kandidatin auf Herz und Nieren zu prüfen. Der lange geplante Vorstellungstermin ist mit ein Grund, weshalb die verfrühte Bekanntgabe der Kandidatur als politischer Betriebsunfall gehandelt wird – die Wähler sollen schließlich keinesfalls das Gefühl bekommen, dass ihnen ein Kandidat vor die Nase gesetzt wird.

Die Fellbacher SPD hat sich bisher noch nicht geäußert, ob sie mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen um den Chefsessel im Rathaus geht. Die Grünen haben das Thema „OB-Wahl“ zwar als Punkt auf der Tagesordnung ihrer heutigen Mitgliederversammlung, sich aber ebenfalls noch nicht festgelegt. Gabriele Zull hat sich bei beiden Fraktionen bereits informell vorgestellt. In Göppingen gilt die 49-Jährige als ebenso herzlich wie kompetent, ihr mög-licher Abschied wird in der Kommunal-politik geltenden Verwaltungsfrau durchaus als Verlust gewertet. „Was sie angepackt hat, hat sie auch noch vertreten, wenn es politischen Gegenwind gab“, lobt ein Journalist, der die berufliche Karriere der intern von der Rechtsreferentin übers Hauptamt zur Sozialbürgermeisterin aufgestiegenen Juristin als Beobachter begleitet hat. Ob die Fellbacher ebenfalls diesen Eindruck haben, wird sich spätestens am Wahltag am 18. September zeigen.