Verteidigungsministerin von der Leyen gibt sich als Chefaufklärerin in der G36-Affäre. Das Hin und Her bei der Treffsicherheit des Sturmgewehrs liegt größtenteils vor ihrer Amtszeit. Trotzdem wird jetzt auch ihr Verhalten hinterfragt. Foto: dpa

Obwohl die Bundeswehr bereits vor einem Jahr eine Initiative zur Verbesserung des Sturmgewehrs G36 angeregt hat, hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erst im Juli eine Expertengruppe zur Untersuchung der Probleme eingesetzt.

Berlin - Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gerät in der Affäre um das umstrittene Sturmgewehr G36 nun unter Druck. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" hat es in der Bundeswehr bereits vor einem Jahr eine Initiative zur Verbesserung des Gewehrs gegeben, die wegen weiterer Untersuchungen zunächst zurückgestellt wurde.

Der "Spiegel" berichtete aus einem Entwurf für einen Rechnungshofbericht vom April 2014, in dem massive Kritik am Verhalten des Ministeriums in der G36-Affäre geäußert wurde. Trotzdem setzte von der Leyen erst im Juli eine Expertengruppe zur Untersuchung der Probleme mit dem Sturmgewehr ein. Die Ergebnisse wurden dem Ministerium am Freitag zugeleitet.

Von der Leyen hatte trotzdem bereits Ende März nach Kenntnis der vorläufigen Ergebnisse erklärt, dass es ein Präzisionsproblem der Waffe bei hohen Temperaturen gebe. Nun soll geprüft werden, ob die rund 167.000 Gewehre dieses Typs in den Beständen der Bundeswehr ausgemustert werden müssen. Der Hersteller Heckler & Koch weist die Vorwürfe zurück und wirft dem Ministerium Rufschädigung vor.

Das Sturmgewehr gehört seit 1996 zur Standardausrüstung jedes Bundeswehrsoldaten. Dem Ministerium sind mindestens seit November 2011 Zweifel an der Treffsicherheit bekannt. Trotzdem erklärte es noch im September 2013, kurz vor dem Ausscheiden des damaligen Ministers Thomas de Maizière (CDU): "Die Waffe gilt als insgesamt zuverlässig."

Grüne: von der Leyen hätte Abnahme stoppen können

Nach Angaben der Grünen wurden trotz der Hinweise auf Probleme von 2013 bis 2015 noch insgesamt 18 Millionen Euro für G36-Gewehre in den Verteidigungshaushalt eingestellt. Mit dem Geld sollten 3370 Gewehre für die Fallschirmjäger angeschafft werden. Die Grünen argumentieren, von der Leyen hätte die Abnahme unter Hinweis auf Mängel stoppen können.

"Ursula von der Leyen gibt die große Aufklärerin, dabei wurden auch in ihrer Amtszeit noch G36 beschafft, obwohl sie längst wissen musste, dass das Sturmgewehr große Mängel aufweist", sagte der Grünen-Politiker Tobias Lindner dem "Spiegel".

Ähnlich äußerte sich der Linke-Abgeordnete Jan van Aken. "Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen irrt, wenn sie glaubt, den G36-Skandal auf ihre Vorgänger abwälzen zu können", sagte er. "Wir wollen jetzt genau wissen, was auch in ihrer Amtszeit vertuscht und verheimlicht wurde."

An dem Expertengutachten haben der Bundesrechnungshof, das Ernst-Mach-Institut der Fraunhofer-Gesellschaft, eine Wehrtechnische Dienststelle der Bundeswehr und das Wehrwissenschaftliche Institut für Werks- und Betriebsstoffe mitgearbeitet.

Bereits am Donnerstag hatte von der Leyen zwei weitere Kommissionen zum G36 eingesetzt, die bis zum Herbst Ergebnisse vorlegen sollen. Eine Expertengruppe unter Leitung des Grünen-Politikers Winfried Nachtwei soll bis zum 1. Oktober 2015 prüfen, ob Soldaten im Einsatz durch Präzisionsprobleme bei dem Gewehr gefährdet worden sind.

Eine Kommission unter Leitung des Commerzbank-Aufsichtsratschefs Klaus-Peter Müller, die nach Schwachstellen in der Organisationsstruktur des Ministeriums und der Bundeswehr suchen wird, soll ihre Arbeit bis zum 30. November abschließen.