G20-Krawalle in Hamburg: Zwei ausgebrannte Autos vor einem Seniorenheim in Altona. Foto: dpa

Die innere Sicherheit wird zu einem der großen Themen des Wahlkampfs. Warum auch nicht, fragt unser Kommentator Christoph Reisinger. Schließlich finden Staat und Politik ihre wichtigste Existenzberechtigung in der Frage, wie den Bürgern der Frieden gewahrt werden kann.

Stuttgart - Ob die innere Sicherheit zum Wahlkampfthema taugt? Das ist eine Frage, die im Nachgang zu den Hamburger Krawallen lauter wird. Am besten ist sie mit einer Gegenfrage beantwortet: Ja welches Thema denn sonst?

Der Staat hat viele Aufgaben, seine Existenzberechtigung aber findet er darin, dass er die innere und die äußere Sicherheit seiner Bürger und den Rechtsfrieden unter ihnen so gut als möglich wahrt. In Wahlkämpfen darüber zu reden, inwieweit das gelingt, welche Mittel der Staat dafür hat, welche er braucht und welche ihm aus gutem Grund verwehrt bleiben sollen, kann daher nie falsch sein.

Jetzt schon gar nicht. Politiker, die sich ohne Angstmache oder Verharmlosung dieses Themas annehmen, machen genau das, was sie sollen: Sie nehmen die Anliegen und Sorgen derer ernst, von denen sie gewählt werden wollen.

Zusammenhänge existieren

Aktuelle Anlässe zur Sorge gibt es zweifellos. Wer zu Recht davor gewarnt hat, dass sich die Konflikte Nordafrikas und des Nahen Ostens sowie ein militanter Islamismus auf die Sicherheit in Deutschland und in seiner Nachbarschaft auswirken werden, wurde noch vor wenigen Jahren belächelt. Inzwischen ist der Nachweis viele Male auf schrecklichste Weise geführt, dass diese Zusammenhänge existieren.

Der Mob, der zuletzt in Hamburg kriegsähnliche Szenen des Brandschatzens und der lebensgefährlichen Gewalt gegen Staatsdiener heraufbeschworen hat, wird dies bei ähnlicher Gelegenheit wieder tun. Es sei denn, er stößt auf entschiedene Gegenwehr, die bereits mit einer entschlossenen Vorbeugung beginnt. Logisch, dass sich Bürger sehr genau dafür interessieren, wie Polizei und Justiz handeln werden – und welche Politiker glauben machen wollen, die Beamten selber oder die Veranstalter eines G20-Gipfels oder ein Erster Bürgermeister seien die Verantwortlichen für solche Gewalt und nicht etwa die Täter.

Brutalität gegen Flüchtlinge beschäftigt viele Menschen im Land. Die Raubzüge organisierter Einbrecherbanden durch Wohnviertel schaffen Verunsicherung wie auch Exzesstaten gegen Obdachlose, die angezündet werden, oder gegen Familien, die von Autobahnbrücken herab vorsätzlich in Lebensgefahr gebracht werden. Wer noch glaubt, die Mafia spiele in Baden-Württemberg allenfalls als Spielfilm-Stoff eine Rolle, der glaubt wahrscheinlich auch an den Weihnachtsmann.

Wer bleibt Herr im Haus?

All diese Spielarten schwerster Kriminalität müssen nicht aufgebauscht werden. Sie sind erst recht kein Grund in Angststarre zu verfallen. Aber Teil der Wirklichkeit sind sie leider schon. Deshalb bleibt die Erwartung der Bürger hoch und auch berechtigt, dagegen wirksam geschützt zu werden. Es geht darum, dass Bund und Länder, also letztlich die Politik, garantieren, dass der Staat Herr im Hause bleibt.

Deshalb verdient das Ringen um die besten Ideen für die innere Sicherheit allen Schweiß der Edlen. Gehen die Ermittlungsbefugnisse, die der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl der Polizei und den Geheimdiensten für den Kampf gegen Terroristen geben will, tatsächlich zu weit? Verschafft die Reform der Polizeireform den Bürgern auch jenseits der Ballungsräume mehr Sicherheit? Ist es richtig, Links- oder Rechtsextremen rechtsfreie Räume zu überlassen? Wenn die Bürger ihre Wahlentscheidung nicht zuletzt an den Antworten auf solche Fragen festmachen, ist dies keineswegs ein Zeichen von Angst. Es ist vielmehr ein Zeichen staatsbürgerlicher Reife.