So sehen Sieger aus: Renato Sanches Foto: dpa

Der Münchner Neuzugang Renato Sanches aus Portugal besticht auch gegen Kroatien durch seine Präsenz.

Lens - Vermutlich waren die Verantwortlichen von Benfica Lissabon nicht schlau genug, in ihren Verhandlungen auch noch einen Extrabonus auszuhandeln, falls Renato Sanches bei einem Großturnier mal zum „Man of the Match“ erklärt wird. Klauseln dieser Art haben sie sich ja sehr wohl ausgedacht für das Vertragswerk, auf dessen Grundlage der Mittelfeldspieler für einen Sockelbetrag von 35 Millionen Euro von Benfica Lissabon zum FC Bayern wechselt. Sollte Sanches irgendwann in den engeren Kandidatenkreis bei der Weltfußballerwahl berufen werden, wird eine satte Nachzahlung fällig.

Das droht vorerst nicht, der 18-Jährige wurde bei Portugals 1:0-Sieg im Achtelfinale gegen Kroatien nur als bester Spieler des Abends ausgezeichnet. Vermutlich vor allem, weil er den Angriff initiierte, mit dem dieses zähe Ringen entschieden wurde. Sanches spielte in jener denkwürdigen 117 Minute einen guten Pass auf Nani, der eine sehr unkonventionelle Weiterleitung auf Cristiano Ronaldo fabrizierte, dem Weltstar gelang der erste echte Torschuss dieses Abends, und Quaresma staubte ab.

Wenige Minuten später lagen die Kroaten auf dem Rasen, weinend, verzweifelt. „Das eine Mal hatten sie Raum zum Kontern, und dann haben sie das Tor gemacht“, sagte Kroatiens Trainer Ante ČCacic. „Fußball ist eben nicht ehrlich, so ist das Spiel, es gewinnen eben nicht immer die besten Teams.“ So konnte man das sehen. Dieses Tor war nämlich eine geradezu bösartige Bestrafung für die winzige Portion Risikobereitschaft, die die Kroaten sich ganz am Ende von 120 quälenden Minuten erlaubt hatten. In einem Spiel, in dem es eigentlich nur um eines ging: die totale Sicherheit.

Vergleiche mit Seedorf und Davids

„Nur mit schönem Fußball gewinnt man keine Turniere“, erklärte Portugals Trainer Fernando Santos später, und auch auch Renato Sanches war nach seiner Einwechselung in der 50. Minute vorwiegend mit Zweikämpfen, Balleroberungen und Fleißarbeit im Mittelfeld beschäftigt. Wenn der Mittelfeldspieler, der mit Weltstars wie Clarence Seedorf oder Edgar Davids verglichen wird, dann mal am Ball war, gelang ihm längst nicht alles. Aber der Hochbegabte, dessen Familie einst von den Kapverden nach Portugal auswanderte, hat diese besondere Eigenschaft, die sich niemand durch Training aneignen kann: Präsenz.

„Renato will immer der Chef auf dem Platz sein. Er ruft seinen Mitspielern immer zu: ‚Komm, spiel’ mich an!‘“, hat sein Jugendförderer António Quadros vom Lissabonner Klub Ágiuas da Musgueira einmal gesagt. Wobei dieser Zuruf gar nicht notwendig ist, Sanches strahlt diese permanente Ballforderung aus. Das war auch in diesem tristen Spiel zu sehen.

Manchmal werden solch enge Partien, in denen sich zwei Mannschaften neutralisieren ja zu einem Hochgenuss für Taktikfreaks, weil es auf kunstvolle Art und Weise gelingt, Räume zu verengen, Zweikämpfe zu gewinnen und Weltklassestürmer zu neutralisieren. Das war an diesem Abend nicht der Fall. Denn die Angriffsversuche beider Teams waren von einer erstaunlichen Fehlerhaftigkeit geprägt, es fehlten Tempo und Präzision.

Sanches bildete da keine Ausnahme. Vielleicht wirkte er auch deshalb so erstaunt, als man ihn als besten Spieler vor die Presse setzte. Er sei „sehr glücklich, Teil dieses Kaders zu sein“, erklärte Sanches, und als er auf seine kommende Saison beim FC Bayern angesprochen wurde, leuchtete ein stolzes Lächeln in seinem Gesicht. Daran denke er jetzt nicht „nur an das nächste Spiel gegen Polen“, sagte er.

„Renato ist kraftvoll und energiegeladen“

Von einem Teenager darf man wohl nicht mehr erwarten. Wobei die Unbeschwertheit der Jugend einen Wert hat, der bei dieser EM bisher kaum in Erscheinung trat. „Dieses junge Blut tut uns gut“, sagte Portugals Innenverteidiger Fonte „Renato ist kraftvoll, energiegeladen, es tut der Gruppe gut, solche Kids zu haben“. Sanches selbst sagte dazu gar nichts.