Das Siegtor von Oliver Bierhoff zum EM-Titelgewinn 1996 ging als Golden Goal in die Geschichte ein Foto: dpa

Die EM in Frankreich ist die große Bühne der Fußball-Stars. Wer bringt es zu besonderen Ehren? Wir haben – analog zur Oscar-Verleihung – vorab nominiert. Teil 5: Die Kandidaten in der Kategorie „Beste visuelle Effekte“.

Stuttgart - Fast unbemerkt hat Philipp Lahm unlängst in der Champions League gleich zwei Bestmarken übertroffen. Er hat mit 105 Einsätzen Oliver Kahn (103) als deutschen Rekordspieler überholt – und den Italiener Alessandro Nesta (99) als Akteur mit den meisten torlosen Auftritten in der Königsklasse. Trotzdem wird der 32-jährige Ex-Nationalspieler vom FC Bayern München mal als einer der besten Rechtsverteidiger in die Fußballgeschichte eingehen. Doch seine fehlende Torgefahr hat den 2014 zurückgetretenen Weltmeister wohl die eine oder andere bedeutende individuelle Auszeichnung gekostet – als Weltfußballer war er trotz Weltfußballerleistungen in der Vergangenheit nie ein Thema.

Die Szene, die von Philipp Lahm immer am meisten im Gedächtnis bleiben wird, ist sein Tor zum 1:0 im Eröffnungsspiel der WM 2006 gegen Costa Rica (4:2). Vom linken Strafraumeck aus zirkelte er den Ball formvollendet in den rechten Torwinkel und gab so die Initialzündung zum deutschen Sommermärchen. Tore sind die Grundessenz des Fußballs. Und besondere Treffer sind das, was die Schönheit des Spiels ausmacht. Jeder Moment kann ein besonderer Moment werden, ein Tor kann alles verändern.

Das Runde muss dazu in das 7,32 Meter breite und 2,44 Meter hohe Eckige. Das geht auf die verschiedenste Art und Weise. Ganz außerordentlich spektakulär ist es, wenn Torhüter treffen. Sei es per Kopf in der Schlussphase wie einst Jens Lehmann für Schalke 04 und jüngst Marwin Hitz für den FC Augsburg oder aus weiter Entfernung wie 2007 Paul Robinson für Tottenham Hotspur, der anschließend von den eigenen Fans bei jeder Ballberührung zum Schießen aufgefordert wurde: shoot, shoot, shoot!

In der Regel sind die Treffer aber anderen vorbehalten, naturgemäß insbesondere den Offensivspielern. Und sie haben dabei ganz besondere Kunstformen entwickelt. Klaus Fischer, der König der Fallrückzieher, produzierte sein Meisterstück 1977 gegen die Schweiz – es wurde zum „Tor des Jahrhunderts“ gewählt. Der Argentinier Diego Armando Maradona degradierte bei der WM 1986 bei seinem Solo aus der eigenen Spielhälfte im Halbfinale gegen England die Gegner zu Statisten, was sein Landsmann Lionel Messi übrigens 2007 in einem Ligaspiel des FC Barcelona gegen den FC Getafe originalgetreu nachstellte. Der Nigerianer Jay-Jay Okocha funktionierte 1993 im Frankfurter Trikot vier Abwehrspieler des Karlsruher SC zu Slalomstangen um und düpierte dann auch noch den Torwart Oliver Kahn.

Bei den bisherigen 14 EM-Endrunden fielen in 235 Spielen insgesamt 579 Treffer – darunter etliche Oscar-reife Traumtore. Wer wohl das schönste Tor der EM 2016 in Frankreich schießen wird? Der erste Kandidat ist jedenfalls Zlatan Ibrahimovic. Der Schwede hat schon vielfach sein Füßchen für ganz außergewöhnliche Treffer bewiesen, etwa 2012 im Länderspiel gegen England, als er den Ball volley per Fallrückzieher von außerhalb des Strafraums einnetzte.

Antonin Panenka (1976)

Feiner Trickschuss

Vielleicht wollte Antonin Panenka ja nur vermeiden, es Uli Hoeneß gleichzutun, der soeben den Ball im Elfmeterschießen des EM-Endspiels 1976 zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland mit Wucht in den Nachthimmel von Belgrad geschossen hatte. Jedenfalls lupfte das Schlitzohr beim entscheidenden Versuch die Kugel in leichtem Bogen am hechtenden Sepp Maier vorbei in die Mitte des Tores. Der Panenka-Heber war geboren.

Michel Platini (1984)

Klasse Masse

Die Heim-EM 1984 in Frankreich war das Turnier von Michel Platini. Ihm gelangen in fünf Spielen insgesamt neun Treffer, womit er auch die ewige EM-Torschützenliste vor dem Engländer Alan Shearer (sieben) anführt. Darunter waren zwei Dreierpacks. Doch der spätere Skandalpräsident der Uefa glänzte auf dem Feld nicht nur mit Masse, sondern auch mit Klasse. Beim 3:1 gegen Jugoslawien erzielte er nicht nur alle französischen Treffer, sondern mit einem eingesprungenen Kopfball auch einen ganz besonders herrlichen.

Marco van Basten (1988)

Ausgezeichneter Volley

Erst ließ er im Halbfinale der EM 1988 Jürgen Kohler links liegen und traf in der 89. Minute mitten ins deutsche Herz zum 2:1 für die Niederlande. Und dann setzte Marco van Basten im Endspiel gegen die Sowjetunion (2:0) noch einen drauf: Sein Volleytor aus spitzem Winkel wurde 2014 in einer Uefa-Wahl anlässlich des 60-Jahr-Jubiläums des europäischen Verbands zum schönsten EM-Treffer in dessen Geschichte gewählt.

Oliver Bierhoff (1996)

Golden Goal

Oliver Bierhoff nimmt den Ball mit dem Rücken zum Tor im Strafraum an, behauptet ihn unter starker Bedrängnis, es folgen eine Rechtsdrehung und ein Linksschuss, bei dem der Ball abgefälscht wird und vom Pfosten ins tschechische Gehäuse tröpfelt. Tor. 2:1. Deutschland ist Europameister 1996. Denn wegen einer neuen Regel (Golden Goal) ist die Finalverlängerung damit vorzeitig beendet.

Angelos Charisteas (2004)

Griechischer Volksheld Es war der Sommer seines Lebens. Nach dem Double mit Werder Bremen schoss Angelos Charisteas Griechenland 2004 mit seinen drei Treffern zum EM-Titel. Viel mehr Tore waren ja auch gar nicht nötig, weil das Team mit der Mauertaktik des deutschen Trainers Otto Rehhagel und dem 1,96 Meter großen Libero Traianos Dellas kaum Gegentore zuließ. So gab es auch im Finale gegen den Gastgeber Portugal ein 1:0 – dank eines wuchtigen Kopfballs von Charisteas, der zum Volkshelden wurde.