Das italienische Bollwerk: Leonardo Bonucci, Giorgio Chiellini und Andrea Barzagli (von links) Foto: Getty

Auf die Abwehr ist Verlass. Kein Wunder: Andrea Barzagli (35), Leonardo Bonucci (29) und Giorgio Chiellini (31) wurden zusammen mit Clubkollege Gianluigi Buffon (38) im Tor mit Juventus Turin seit 2011 fünfmal in Serie italienischer Meister. Nun wollen sie Deutschland stoppen.

Marseille - Bitte, es geschah alles in bester Absicht, auch wenn die Methode so martialisch war, wie sie klingt. Vor zwei Jahren enthüllte der Mentaltrainer Alberto Ferrarini, wie er daran mitwirkte, aus Leonardo Bonucci einen der weltbesten Abwehrspieler zu formen. Ferrarini sperrte ihn in einen Keller, beschimpfte ihn, bedrängte ihn und beleidigte ihn, und beim geringsten Zucken in Bonuccis Gesicht schlug er ihm die Faust in den Magen. „Leo sollte immer fokussiert sein und alles um sich herum ignorieren“, erklärte Ferrarini, „so habe ich angefangen, ihn zu einem Soldaten zu formen.“ Einer, der immun ist gegen Pfiffe und Kritik. So fragwürdig das erscheint – es hat sich gelohnt. „Damals habe ich entdeckt, dass immer ein Soldat in mir war. Ich wusste es nur nicht“, sagt Bonucci.

Eine schier unüberwindbare Mauer

Acht Jahre später steht der Soldat Bonucci (29) wie eine Eins. Er ist das Herzstück in der Dreier-Abwehr von Juventus Turin, das zuletzt fünfmal in Serie italienischer Meister wurde. Rechts von ihm verteidigt Andrea Barzagli (35), links räumt Giorgio Chiellini (31) auf, und notfalls haben sie den unverwüstlichen Gianluigi Buffon (38) im Tor. Auch in der Squadra azzurra, die an diesem Samstag (21 Uhr) den Weltmeister Deutschland das Fürchten lehren will.

Mit einem Durchschnittsalter von 33,25 Jahren und ihrer Routine aus 360 Länderspielen bilden die glorreichen vier eine schier unüberwindbare Mauer, doch wer den Spielstil unter Trainer Antonio Conte auf die alte Schule des italienischen Catenaccio reduziert, tut der ganzen Mannschaft Unrecht.

Diese in Italien von Helenio Herrera bei Inter Mailand begründete Schule sah fünf Spieler vor, die keine Offensivaufgaben hatten, und drei weitere, die primär defensiv eingestellt waren. Mit diesem doppelten Abwehrriegel gewann Inter mit Herrera zweimal den Europapokal der Landesmeister, die heutige Champions League, und einmal den Weltpokal. Seit einem 0:6 gegen Ajax Amsterdam unter Trainer Rinus Michels im Jahr 1973 gilt das System als überholt – und Antonio Conte hat mit ihm schon gar nichts am Hut. „Es heißt, Italiener können nur verteidigen. Aber wir spielen jetzt auch Angriffsfußball“, betont Juves Ex-Trainer. „Tikitalia“ nannte die Zeitung „Corriere dello sport“ den Stilwandel in Anlehnung an Spaniens Tikitaka-Ära, die Italien mit dem 2:0 im Achtelfinale höchstselbst zu Grabe trug.

Vor Nichts und Niemanden Furcht

Als perfekter Interpret der italienischen Spielart tut sich Bonucci hervor. Der Chefstratege verteidigt zentral robust und steht dank seiner technischen Qualitäten für eine exzellente Spieleröffnung. Mit seinen präzisen Pässen ist er der erste Spielmacher der Mannschaft. Andrea Barzagli, 2009 deutscher Meister mit dem VfL Wolfsburg, spielt erst seit seinem Wechsel 2011 zu Juve seine Qualitäten richtig aus: Sein ausgeprägt sicheres Stellungsspiel erlaubt ihm eine Zweikampfführung, die meist ohne Fouls auskommt. Giorgio Chiellini, halb links postiert, gilt als der Intellektuelle in Italiens Team. Er ist Absolvent der Universität Turin, der Titel seiner Abschlussarbeit als Betriebswirt lautet: „Die Bilanzen von Fußballclubs am Beispiel von Juventus Turin“. Nach der EM steht seine Promotion an. Bei der WM 2014 fiel Chiellini der Biss-Attacke des Uruguayers Luis Suarez zum Opfer, doch er kann auch ganz unakademisch austeilen, wovon vier Nasenbeinbrüche zeugen. Bonucci schätzt ihn, weil er „nichts und niemanden fürchtet“.

Das gilt ebenso für Bonucci selbst, den die harte Schule seines Mentalcoaches auch für das Leben ohne Fußball geprägt hat. Vor Jahren richtete ein Bandit seine Pistole auf ihn und forderte seine Armbanduhr. Statt klein beizugeben, schlug Bonucci den Gangster nieder, der sich flugs aufrappelte und auf dem Moped seines Komplizen abhaute. Keine Frage: Wer sich so zu wehren weiß, blickt auch dem Weltmeister furchtlos ins Auge.

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