Mit Hilfe der Pharmazie können auch Fußballer ihre Leistung erheblich steigern Foto: dennisjacobsen - Fotolia

Jetzt also auch noch Guido Buchwald. „Im Fußball“, behauptet der Weltmeister von 1990 und ehemalige VfB-Profi, „bringt Doping nichts.“ Das sei schlicht und ergreifend Unfug, kontert Perikles Simon – und der renommierte Anti- Doping-Experte erklärt auch, warum.

Stuttgart - Der Wahrheitsgehalt mancher Aussagen steigt auch dann nicht, wenn sie ständig wiederholt werden. Dazu gehört die These, der Fußball müsse allein schon deshalb sauber sein, weil die Anforderungen an die Spieler zu komplex sind, um pharmazeutisch nachhelfen zu können. „Das ist ein Abwehrreflex, mit dem ein großes Problem bagatellisiert wird“, sagt Perikles Simon, Leiter der sportmedizinischen Abteilung der Universität Mainz, „natürlich kann ein Fußballer seine Leistung durch Doping erheblich steigern.“ Und das in vielen Bereichen.

Rekonvaleszenz: Wer nach einer Verletzung schnell wieder fit werden will, dem können anabole Steroide helfen. Sie beschleunigen den Muskelzuwachs, können aber in Verbindung mit der richtigen Ernährung und einem abgestimmten Training auch nur die Qualität der Muskeln verbessern. „So kann man Maximalkraft und Schnellkraft steigern, ohne an Muskelmasse zuzulegen und zu schwer zu werden“, sagt Experte Simon. Zudem haben Anabolika zwei weitere Vorteile: Sie wirken sich positiv auf die Ausdauer aus, und der Athlet regeneriert auch schneller. Natürlich kann in der Rekonvaleszenz auch das Blutdopingmittel Epo eingesetzt werden. Es hilft, zügig die alte Grundlagenausdauer zurückzugewinnen. „Fußballer, die nicht zur allerersten Garde der Nationalspieler zählen, haben zudem den Vorteil, dass sie in dieser Phase nicht kontrolliert werden“, sagt Perikles Simon.

Ausdauer: In der Vorbereitung werden in harten Einheiten und Trainingslagern die konditionellen Grundlagen für eine ganze Saison gelegt – und auch in dieser Zeit sind Dopingjäger eher selten zu Gast bei den Vereinen. Wer nachhelfen will, um seine Ausdauer zu verbessern, muss nur schauen, was im Radsport oder der Leichtathletik üblich ist: Blutdoping und/oder Epo. Zudem verbessert Testosteron in Verbindung mit Wachstumshormonen die Schnellkraft, weil man Körperfett verliert und an Muskelmasse zulegt. „Auch für Fußballer“, meint Simon, „wären das sehr probate Mittel.“ Erst recht angesichts der Tatsache, dass Profis in Spielen mittlerweile bis zu 13 Kilometer laufen – mehr als doppelt so viel wie früher.

Schnelligkeit: Pierre-Emerick Aubameyang behauptet von sich, auf den ersten 30 Metern schneller zu sein als Sprint-Superstar Usain Bolt. Egal, ob das stimmt oder nicht: Wer einen derartigen Antritt hat wie der Dortmunder oder sein Kollege Marco Reus, ist von Abwehrspielern kaum zu halten. Im Fußball ist aber noch mehr gefragt – am Ende eines Spiels weiterhin so schnell zu sein wie in der Anfangsphase. „Es kommt darauf an, wie schnell ich mich nach einem Sprint erhole und wie oft ich in einem Spiel in vollem Tempo sprinten kann“, erklärt Sportmediziner Simon, „will ich mich in diesem Bereich verbessern, können Blutdoping und Epo eine entscheidende Komponente sein – und zwar ohne dass unter meiner verbesserten Schnelligkeit die Ausdauer oder die Kraft leidet. Ich kann, wenn ich will, alles gleichzeitig auf ein höheres Niveau heben.“

Kraft: Was nach einer Verletzung hilft, kann natürlich auch während der Saison benutzt werden, um Muskeln aufzubauen. Anabole Steroide, Wachstumshormone, dazu das Schwangerschaftshormon HCG, das die Produktion des körpereigenen Testosterons anregt. Den Beweis dafür, dass heutige Fußballer ihre Körper ganz gezielt stählen, liefert jeder Trikottausch. „Das kann natürlich durch hartes Training erfolgen“, sagt Simon, „aber wenn sie sich durch Training nicht mehr verbessern können, greifen Athleten oft zu verbotenen Mitteln. Das ist in vielen Sportarten so – und sicher auch im Fußball.“

Aggressivität: Bissig zu sein, das fordern Trainer stets von ihren Profis. Testosteron ist das ideale Mittel, um Aggressivität und Durchsetzungsfähigkeit zu steigern. Es gibt eine Studie, die belegt, dass Athleten aus den großen Profiligen der USA extreme Probleme hatten, gallig zu sein, nachdem sie aufgrund verbesserter Dopingkontrollen anabole Steroide vorsichtiger einsetzen mussten. Als danach Testosteron ins Spiel kam, kehrte die frühere Aggressivität zurück.

Konzentration und Agilität: Das körpereigene Adrenalin wirkt in diesem Bereich – aber auch der Griff in den Arzneimittelschrank. Amphetamine, Ephedrin, Captagon, Methylphenidat – alle Stoffe stimulieren die Psyche, führen zu einer höheren Reaktions- und Wahrnehmungsfähigkeit. Und steigern die Bereitschaft, alles für den Sieg zu tun.

Energie: Vor allem in englischen Wochen fehlt Fußballern die Zeit, ihren Tank wieder aufzufüllen. Wer in der kurzen Regenerationsphase zu Insulin und einer Glukose-Infusion greift, bei dem kommt der Zucker viel schneller dort an, wo er gebraucht wird: im Muskel. „Auf diese Weise kann ich auch im nächsten Spiel garantiert wieder Vollgas geben“, sagt Simon. Und es gibt noch eine zweite Möglichkeit: Sollte sich ein Profi vor einem ganz wichtigen Spiel müde fühlen, könnte er zu Cortison greifen, um über seine Grenzen gehen zu können. Ein findiger Teamarzt würde in diesem Fall eine Ausnahmegenehmigung wegen muskulärer Probleme beantragen – ein positiver Doping-Test wäre somit ausgeschlossen.

Koordination und Technik: Sogar in diesem Bereich kann Doping laut Simon helfen. Spitzenfußballer bewegen sich an der Grenze ihrer körperlichen Möglichkeiten – egal ob bei blitzschnellen Drehungen, rasanten Antritten, der Fähigkeit, nach zehn Metern Sprint noch mal zu beschleunigen, oder dem entscheidenden Freistoß in der letzten Minute. „Jeder, der seine Physis verbessert, hat auch koordinativ ganz anderes Potenzial“, meint der Sportmediziner aus Mainz, „was ja nur zeigt: Gerade in komplexen Sportarten wie Fußball kann Doping extrem effektiv sein. Vor allem, wenn man sich nicht nur auf eine Substanz beschränkt, sondern die volle Palette der Pharmazie nutzt.“