Schiedsrichter in der Bundesliga: Wird in der Rückrunde alles besser? Foto: Baumann

Die Schweizer Schiri-Legende Urs Meier ist vor dem Anpfiff zur Rückrunde in der Fußball-Bundesliga überzeugt: „Der Profi-Schiedsrichter muss kommen.“ Die eine oder andere Panne aus der Hinrunde wäre so zu verhindern gewesen.

Die Schweizer Schiri-Legende Urs Meier ist vor dem Anpfiff zur Rückrunde in der Fußball-Bundesliga überzeugt: „Der Profi-Schiedsrichter muss kommen.“ Die eine oder andere Panne aus der Hinrunde wäre so zu verhindern gewesen. „Es geht um zig Millionen im Profigeschäft“, sagt der Ex-Fifa-Referee und TV-Experte, „und die Entscheidungen treffen Amateure.“

Stuttgart - Es schien, als hätte sich mit Saisonbeginn ein Virus ins Netzwerk deutscher Schiedsrichter eingeschlichen. Unsichtbar, heimtückisch und immer bestrebt, eine Fehlermeldung zu schicken. Es lief während der Hinrunde nicht gut für die 42 Hüter des Regelwerks im deutschen Profifußball. Sie gaben Tore, die keine waren, pfiffen haarsträubende Handelfmeter, zückten Karten ohne nachvollziehbaren Grund und lagen bei Abseitsstellungen bisweilen weiter daneben als die Demoskopen bei einer Bundestagswahl.

DFB-Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel (49) gab seinen Referees eine Drei minus für die erste Hälfte der Bundesliga-Saison und warnte davor, „alles schönzureden. Es ist noch Luft nach oben.“ Zur Vorbereitung auf die Rückrunde bat er die Unparteiischen und ihre Assistenten zum einwöchigen Trainingslager auf Mallorca – mit dem Schwerpunkt: Fehleranalyse. „Dafür braucht man ganz einfach eine hohe Intensität im Lehrgangsprogramm – und man braucht Zeit“, sagte Fandel, „die haben wir uns genommen. Ich bin ganz sicher, dass sich das auszahlen wird.“ In der Rückrunde werde man die starke Qualität der deutschen Referees noch deutlich sehen.

Felix Brych (38), der zuletzt einen kuriosen Handelfmeter gegen Gladbach in Leverkusen pfiff und beim Hoffenheimer Phantomtor eine unglückliche Figur machte, wurde ungeachtet dessen vom Weltfußballverband (Fifa) für die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien nominiert. Zu Recht, meint Herbert Fandel. Der Münchner sei unverändert einer der besten Schiris der Welt.

Auch der frühere Fifa-Schiedsrichter und TV_Experte Urs Meier (55) hat viel Lob für seine deutschen Kollegen parat, er kritisiert allerdings einen gewissen Hang zur Stagnation. Die Schweizer Schiedsrichter-Legende rät: „Führt endlich den Profi-Schiedsrichter ein!“ Die Bundesliga zähle zu den zwei, drei besten Ligen der Welt. Darauf dürfe man stolz sein. Er sieht die Liga deshalb aber auch in einer wichtigen Vorreiterrolle. „Es wäre doch nur logisch, wenn die Schiedsrichter genauso professionell arbeiten wie die Spieler.“ Der Fußball sei längst Teil einer gigantischen Unterhaltungsindustrie. „Da geht es Woche für Woche um zig Millionen“, sagt Meier und ergänzt: „Und ein Amateur trifft die Entscheidungen.“ Das Spiel sei schneller, trickreicher und überraschender geworden, urteilt der ehemalige Fifa-Schiedsrichter, es gebe mehr Zweikämpfe im und um den Strafraum, scharfe Pässe in die Spitze, die wie aus dem Nichts geschlagen werden. „Dafür brauchst du sehr viel Fußballverständnis. Da ist es fatal, wenn sich die Schiedsrichter nicht auch weiterentwickeln“, kritisiert der Eidgenosse. Gerade die Deutschen könnten Vorbilder für Erneuerungen sein. Auch für den Chip im Ball. „Der Großteil der Technik stammt sowieso aus Deutschland“, wundert sich Meier.

Er hält den Fußballverbänden vor, dass sie den Unparteiischen gern „gewisse Fesseln“ anlegen, was Stellungsspiel und Laufwege anbelangt. „Markus Merk war einer der besten Schiris überhaupt, aber er hat sich nie in diese Schemen pressen lassen“, verrät Meier und empfiehlt dem deutschen Fußball ein Profi-Schiedsrichterteam, das wie eine Bundesliga-Mannschaft mit Coaches trainiert, sich auf Spiele vorbereitet und sie im Nachhinein in Ruhe analysiert. „Heutzutage sitzen die meisten Schiedsrichter am nächsten Tag schon wieder an ihrem Arbeitsplatz. Da bleibt zu wenig Zeit für Vor- und Nachbereitung.“

Meier sagt über sich selbst: „Die besten Leistungen habe ich immer bei großen Turnieren gebracht. Und warum? Weil ich mich da über Wochen zu hundert Prozent auf meine Aufgabe als Schiri konzentrieren konnte. Das ist bestimmt kein Zufall.“

Jenseits der Grenze stößt er mit seinen Plänen auf Skepsis. Dabei hat der anspruchsvolle Job mit der Pfeife auch hierzulande längst seine eigene Dynamik entwickelt. Die Bundesliga-Referees spulen individuelle Trainings-Programme ab. Kontrolliert über GPS-gesteuerte Pulsuhren von ihrem „Arbeitgeber“ – dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Vor und nach den Spielen stehen in den Stadien Physiotherapeuten zur Verfügung. Wer nach getaner Arbeit nach Entspannung trachtet, gönnt sich eine Massage. Wer will, kann sich Hilfe bei einem Psychologen holen. Auch finanziell ist der Schiri-Job attraktiv: Der DFB zahlt einem Bundesliga-Schiedsrichter ein Grundgehalt von 20 000 Euro pro Saison (40 000 Euro für Fifa-Referees). Hinzu kommen 3800 Euro pro Bundesliga-Einsatz.

„Das ist alles in Ordnung“, sagt Meier, „aber es ist wichtig, dass ein Spitzen-Schiedsrichter dem Fußballer auf Augenhöhe gegenübertritt. Und der ist nun mal Profi und kein Amateur.“