Vedad Ibisevic ist nur einer von derzeit 71 verletzten Bundesligaspielern. Weitere Ausfälle in der Bundesliga finden Sie in unserer Bildergalerie. Foto: Baumann

71 verletzte Spieler zählen die Clubs der Fußball-Bundesliga aktuell. Die Vereine geben den Verbänden die Schuld, verstricken sich damit aber in einen Widerspruch.

Stuttgart - Jetzt hat es also auch Vedad Ibisevic erwischt. Wie schon viele WM-Teilnehmer vor ihm holt den bosnischen Brasilien-Fahrer nun die Vergangenheit ein. Beginnender Ermüdungsbruch in der rechten Fußwurzel. Eine Verletzung, die noch gar nicht da ist, sich aber anbahnt. Deshalb haben die Vereinsärzte des VfB Stuttgart den 30-Jährigen vorsorglich aus dem Verkehr gezogen und in den Krankenstand beordert. Damit nicht alles noch schlimmer wird.

„Die Weltmeisterschaft kann sicher mitursächlich für die Verletzung gewesen sein“, sagt Heiko Striegel. Das Problem waren dabei weniger die drei Vorrundenspiele, die der Stürmer für sein Heimatland bestritten hat. Ausschlaggebend war wohl vielmehr die verkürzte Vorbereitungszeit und ein damit einhergehender unsauberer Aufbau, wie der Mannschaftsarzt des VfB das Zusammenspiel aus Kondition, Muskelaufbau und Regeneration nennt. Die Folge: Ein Spieler wie Ibisevic ist nur vermeintlich fit, wenn die Saison beginnt. Eine klassische Überlastungsverletzung wie ein Ermüdungsbruch ist dann nur noch eine Frage der Zeit.

Striegel steht mit seiner Meinung nicht alleine da, wenn er sagt: „Die Belastung im Fußball ist inzwischen sehr hoch.“ Er sagt das völlig wertfrei, schließlich weiß der Sportmediziner genau, dass sich das Rad der Zeit nicht zurückdrehen lässt. Und mit ihm die Umstände im modernen Profifußball. Es ist nicht allein die Anzahl der Spiele, welche die Kicker an die Belastungsgrenze bringen. Sondern auch die Intensität der Spiele .

Die Netto-Spielzeit hat sich gegenüber vor 20 Jahren um fast 50 Prozent erhöht, die Zahl der Sprints verdoppelt. Die Partien sind schlicht schneller und intensiver geworden. Mit allen Begleiterscheinungen: abruptes Abbremsen, häufige Körperdrehungen und Richtungswechsel, größere Wucht bei Zusammenstößen. Ein Bundesliga-Kicker läuft pro Spiel zehn bis zwölf Kilometer. In 90 Minuten bringt das kaum einen Freizeit-Jogger zum Schnaufen. Dieses Pensum in 50 Minuten reiner Spielzeit ist jedoch eine ungleich höhere Belastung. „Die Profis von vor 25 Jahren würden heute nicht länger als 30 Minuten mithalten“, meint ein Sportwissenschaftler.

Die Fußballer wieder!

Nun werden Sportsfreunde, die dem Fußball weniger nahestehen, einwenden: Die Fußballer wieder! Andere Sportler haben ein viel höheres Pensum! Stimmt. Aber besagte Entwicklung hat in dieser Dimension kaum eine andere Sportart genommen.

Die Vereine stehen vor der schwer aufzulösenden Problematik, ihr Personal taktisch-spielerisch und athletisch zugleich auf Höchstleistung zu trimmen. Striegel erklärt, warum das so schwierig ist: „Medizinisch betrachtet müsste die Trainingsaufbauphase eigentlich sechs bis acht Wochen lang gehen.“ Aber das lässt sich leider nicht für alle Spieler umsetzen. Die Trainer wollen in erster Linie Spielsysteme einstudieren, und das geht nun einmal schlecht, wenn die Kicker die halbe Zeit auf dem Ergometer oder im Kraftraum verbringen.

Da jeden Spieler unterschiedliche Zipperlein plagen, müsste die therapeutische Betreuung noch viel intensiver sein. Striegel hält der Theorie die Praxis entgegen. „Auch im Fußball wird individueller trainiert als früher. Trotzdem bleibt es eine Mannschaftssportart, da steht gemeinsames Training auf dem Platz immer im Vordergrund.“

Was also tun? Die Anzahl der Spiele reduzieren. Sagt eigentlich jeder – ob Spieler, Trainer oder Vereinsfunktionäre. „Bei der Vielzahl der Termine können die Spieler weder physisch noch mental regenerieren“, klagt VfB-Coach Armin Veh. Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge schimpft in Richtung Dachverbände: „Die Belastung hat längst ein gesundes Maß überschritten.“ Vor allem für Topclubs wie den FC Bayern. Nach dem Bundesliga-Wochenende geht es schon wieder mit Champions League weiter.

Nur: Warum schicken Vereine wie Bayern München ihr geschundenes Personal zwischen WM und Bundesliga-Start dann auch noch zu Freundschaftsspielen auf Weltreise? Zu Vermarktungszwecken, klar. Um Geld zu verdienen. Dabei werden Reisestrapazen in puncto Verletzungsprävention häufig unterschätzt. Funktionäre wie Rummenigge haben auf diesen Widerspruch noch keine Antwort liefern können. Wahrscheinlich hat Oliver Schmidtlein, langjähriger Physiotherapeut beim FC Bayern, ja recht, wenn er sagt: „Es hat Tradition im Fußball, sich über die hohe Belastung zu beklagen.“ Und Tradition ist im Fußball ein hohes Gut.