Hat er den Durchblick? BVB-Trainer Jürgen Klopp. Foto: Getty

Borussia Dortmund startet als Tabellen-17. in die Rückrunde. Der Druck vor dem Spiel bei Bayer Leverkusen an diesem Samstag (18.30 Uhr/Sky) ist groß. Für die Wende sorgen sollen die alte Taktik und ein Neuzugang.

Stuttgart/Dortmund - Schon seit Jahren pflegt Borussia Dortmund zum Ende eines jeden Trainingslagers ein Ritual. Die mitgereisten Fans dürfen auf den Platz, wo gemeinsam mit der Mannschaft das große Abschlussfoto geschossen wird. Das war auch dieses Jahr im spanischen La Manga so – und doch war irgendwie alles anders. Wo sonst immer noch Platz für Gespräche, ein Lachen oder einen Flachs mit den Anhängern war, herrschte bei den Profis nun eine Nüchternheit, die so mancher Beobachter schon als Eiseskälte deutete. Hinstellen, abknipsen lassen und nix wie weg, so war es diesmal beim Gruppenfoto.

Der Druck im Kampf gegen den Abstieg, er hinterlässt seine Spuren. Der BVB steht nach überragenden vier Jahren am Abgrund, weshalb Trainer Jürgen Klopp die Fokussierung auf das Sportliche ausgerufen hat. Der Coach absolvierte im Winter einen Interviewmarathon, damit seine Spieler das nicht erledigen mussten und sich aufs Kicken konzentrieren konnten. Selbst das Foto mit den Fans wurde beim BVB in diesen Tagen als unnötige Ablenkung empfunden.

Die Angst und der Druck sind spürbar, und immer schwingt vor dem ersten Rückrundenspiel bei Bayer Leverkusen an diesem Samstag (18.30 Uhr/Sky) die entscheidende Frage mit: Wie schafft Klopp mit seinem Team die Wende? Wenn es nach dem Trainer geht, ist die Lösung einfach. Klopps Mantra von totaler Fitness, dem bedingungslosen Pressing und Gegenpressing und dem überfallartigen Umschaltspiel nach Ballgewinnen hat mehr denn je Bestand. Im Trainingslager ließ Jürgen Klopp seine Profis die altbekannten Abläufe wieder und wieder einstudieren. Laufen und pressen, das war die Losung. Mit Konsequenz aus der Krise, das ist sein Motto. Ob all das aber auch die Lösung ist, ist offen. Denn einen Plan B gibt es nicht. Es gibt nach wie vor nur den Plan Klopps mit dem Vollgasfußball – und das wiederum ruft die Kritiker auf den Plan.

Warum nicht mal abwartender spielen, wenn es mal nicht läuft? Warum nicht erst einmal darauf achten, nicht schon wieder ein frühes Gegentor zu kassieren, anstatt wieder und wieder mit Pauken und Trompeten nach vorne zu stürmen? Das sind die Fragen, die rund um den BVB nach der verkorksten Hinrunde diskutiert werden. Klopp ficht das nicht an – er vertraut weiter auf seine Idee, was die einen als bemerkenswert konsequent empfinden. Andere sagen, es sei stur und nicht zu verantworten. „Ich halte mich nicht für unfehlbar“, sagt Klopp dazu, „aber wir können das alles regeln.“

Regeln muss der Coach in den nächsten Wochen eine Menge, das ist klar. Denn parallel zur sportlichen Krise gab es zuletzt rund um den BVB Stimmen, die behaupteten, dass das Klima in der Mannschaft teils vergiftet sei. In den Phasen des sportlichen Erfolgs wussten die Bankdrücker, dass alles Wehklagen nichts bringt. Das ist nun anders – wobei es den klassischen Stinkstiefel unter den Klopp-Jüngern nach wie vor nicht gibt.

Einer jedoch übertrieb es in der Hinrunde offenbar mit dem Kult um die eigene Person. Ersatzkeeper Roman Weidenfeller, so berichten Insider, habe sich nach der Rückkehr vom WM-Triumph in Brasilien beim BVB so präsentiert, als habe er den WM-Titel alleine geholt. Auch deshalb habe Klopp dem Torhüter im Herbst einen Denkzettel verpasst und ihn auf die Bank gesetzt.

Solche Eitelkeiten kann der BVB in den nächsten Wochen nicht gebrauchen. Was es braucht, sind Erfolge – und für die sollen zwei Offensivmänner sorgen, die sich in den Testspielen schon gut ergänzten: der in der Hinrunde lange verletzte Marco Reus und Neuzugang Kevin Kampl, der für zwölf Millionen Euro von Red Bull Salzburg kam. Sie stehen für Tempo, Ideen und den Zug zum Tor und sollen dem zuletzt lahmenden Offensivspiel zu neuer Qualität verhelfen.

Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke jedenfalls erwartet eine starke Rückrunde. Der BVB, sagt er, solle sich nicht deshalb retten, weil andere Teams sich noch dämlicher anstellen. Das Team, ergänzt Watzke, müsse wieder an das Level der vergangenen Jahre herankommen. Klar ist aber: Egal, wie die Saison enden wird – ein größerer Umbruch im Kader ist für den kommenden Sommer auf jeden Fall geplant. Die Mannschaft, die seit Jahren nur auf Jürgen Klopp und dessen Philosophie ausgerichtet ist, braucht eine Frischzellenkur, das hat die Vorrunde gezeigt. Ob der Trainer selbst über den Sommer hinaus bleiben wird – nach der Rückrunde werden sie beim BVB schlauer sein.