Wolfgang Jaworek (links, mit Mikrofon) hat eine Gruppe durch Hauptstätter-, Fangelsbach- und Tübinger Straße geführt. Foto: Fritzsche

Die Geschichtswerkstatt führt durchs Marienplatzviertel. Wolfgang Jaworek zeigte, dass die Häuser, die an der Hauptstätter Straße stehen, auch für das Stadtbild von Bedeutung sind.

S-Süd - Die Hauptstätter Straße ist in der Stadt wohlbekannt: allerdings auch nur als Teil der B14 und somit als Durchfahrtsstraße aus dem Heslacher Tunnel und Richtung Stadtmitte. Dass aber auch die Häuser, die hier stehen, wertvoll sind und das Stadtbild prägen, das wollte Wolfgang Jaworek von der Geschichtswerkstatt Süd am vergangenen Samstag bei einem stadtgeschichtlichen Rundgang in den Straßen rund um Marienplatz und Tübinger Straße zeigen.

Stadtbildprägende Gebäude erhalten

Rund 50 Menschen haben sich dazu beim Treffpunkt gegenüber des Marienplatzes eingefunden. „Das Gebiet ist immer noch heruntergekommen“, erklärte Jaworek. Das sei aber auch der Grund, warum viel an interessanter Bausubstanz gefährdet sei. Jaworek, der selbst seit 30 Jahren im Lehenviertel lebt, führte aus: „Der Gemeinderat hat die Gegend zum Stadterneuerungs-Vorranggebiet erklärt, das bedeutet, die Stadt hat hier ein Vorkaufsrecht und könnte so bestimmte städtebauliche Ziele verfolgen.“ Der Bezirksbeirat Süd, in dem Jaworek für Bündnis 90/Die Grünen sitzt, verfolgt darum den Plan, einen städtebaulichen Rahmenplan zu entwickeln. „So könnte man stadtbildprägende Gebäude erhalten“, sagte Jaworek. „Dafür wollen wir den Blick der Öffentlichkeit schärfen.“

Viele Häuser stehen unter Denkmalschutz

Der Rundgang begann entlang der Hauptstätter Straße, wo sich auch gleich schon eines der größten Probleme der Gegend offenbarte: Trotz des mitgebrachten Megafons waren Wolfgang Jaworeks Ausführungen manchmal nur schwer zu hören – dank des unbarmherzig vorbeirauschenden Autoverkehrs. Das sei auch für Investoren und Architekten, die hier neue Gebäude planten, schwierig, so Jaworek: „Zur Straße hin kann man eigentlich nicht mehr wohnen.“ Umso erstaunlicher erschien in diesem Zusammenhang Jaworeks Erklärung, warum die Gebäude mit der Hausnummer 121 nicht direkt an der Straße stehen, sondern zurück versetzt errichtet wurden: „Eine Zeit lang hat die Stadt geplant, den Heslacher Tunnel vierspurig zu machen, und so auch die Hauptstätter Straße auszubauen.“ Darum seien diese Häuser bereits nach hinten versetzt gebaut worden, um Platz für die neuen Fahrspuren zu machen. Das Projekt, so Jaworek, sei schließlich aber wegen zu hoher Kosten aufgegeben worden.

Viele der Häuser entlang der Hauptstätter Straße stehen unter Denkmalschutz, etwa die Handwerker- und Weingärtnerhäuschen, die bis 1860 entstanden. Ein Beispiel dafür sei etwa das Gebäude, das heute den Montessori-Kindergarten bei der Römerschule beherberge, so Jaworek. Die frühgründerzeitliche Bebauung sei laut dem Historiker am stärksten gefährdet, da sie meist nicht unter Denkmalschutz stehe. Bauten aus der Zeit der Jahrhundertwende mit ihren Werksteinfronten und Schmuckputz stünden zwar oft unter Denkmalschutz, „sind aber häufig dem Verfall überlassen.“ Auch an der Cottastraße, wo momentan ein Neubau entsteht, seien zwei weitere Gebäude abrissgefährdet: „Ein geschichtliches Gebäude nach dem anderen verschwindet“, bedauerte der Historiker.

Die Vielfältigkeit fällt der Eintönigkeit zum Opfer

Den Teilnehmern des Stadtspaziergangs empfahl Jaworek: „Schauen Sie immer mal wieder nach oben.“ Nur so entgingen einem die vielen Schmuckelemente an den Häusern nicht. „Die Hauptstätter Straße war früher Prachtstraße, nur gehobene Leute haben hier gewohnt.“ Das Haus Nummer 124, nicht denkmalgeschützt, soll abgerissen werden, berichtete Jaworek. „Es gibt wohl Überlegungen, die Schmucksteine im Neubau wieder zu verwenden.“

Vorbei am Gelände des früheren Möbel-Mammut, auf dem zurzeit das Wohnprojekt Heusteig Living entsteht, ging es in die Fangelsbach- und Tübinger Straße. „Ein Investor hat gleich mehrere Gebäude aufgekauft und will dort einen neuen Komplex errichten. Hier wird die Vielfältigkeit der stilistischen Eintönigkeit geopfert“, kritisierte Wolfgang Jaworek. Alles werde die Handschrift eines einzigen Architekten tragen. „Diese Art der nicht sanften Stadtplanung hat oft mehr Schaden angerichtet als der Krieg“, so Jaworek, der für mehr Kleinteiligkeit plädierte.