Staatssekretärin von Wartenberg besucht Kita in der Kita Foto: dpa

Von Sprachförderung bis Naturwissenschaften – die Ansprüche an die Kindertagesstätten wachsen. Doch wer fördert, sollte auch die Eltern einbeziehen.

Stuttgart -  „Wer Kinder gut fördern will, sollte auch die Eltern einbeziehen“, sagt Karin Bauer. Zwei Jahre lang haben die Leiterin der Evangelischen Kindertagesstätte Martinskirche im Stuttgarter Norden und ihre Kollegen mit Müttern und Vätern, der Kirchengemeinde und anderen Organisationen auf die Umwandlung zu einem Kinder- und Familienzentrum hingearbeitet, kürzlich wurde es eingeweiht. Damit sollen die Familien noch besser unterstützt werden – ein Begegnungscafé beispielsweise ermöglicht Gespräche und Austausch.

Das Haus ist derzeit für 48 Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren eine zweite Heimat. Die ersten werden um 6.30 Uhr gebracht, die letzten verlassen es um 17 Uhr. Vormittags sind die Jüngeren zumeist unter sich, nach dem Unterricht treffen auch Schüler ein – zum Essen, Hausaufgabenmachen und Spielen. Die meisten Kinder stammen aus Einwandererfamilien, insgesamt bringen sie zwölf verschiedene Muttersprachen mit. Deutsch lernen viele Mädchen und Jungen erst im Kindergarten.

Doch ohne Hilfe von außen ist die Sprachförderung kaum zu leisten. Seit 2011 erhält der Kindergarten Unterstützung aus dem Bundesprogramm „Frühe Chancen“, das für Kinder unter drei Jahren gedacht ist – vor allem Kinder mit Migrationshintergrund und aus bildungsfernen Familien sollen davon profitieren. „Alltagsintegriert“, also beim Spielen, Werkeln oder auch beim gemeinsamen Essen sollen sie mit Deutsch vertraut werden. Eine Sprachpädagogin unterstützt die Erzieherinnen bei dieser Aufgabe. Landesweit stehen in derzeit in 475 der rund 8400 Kindertageseinrichtungen 542 Halbtagskräfte zur Verfügung. Wie es weitergeht, wenn am Jahresende das Programm ausläuft, ist noch offen.

Für die Drei- bis Sechsjährigen nutzt die Kita das Landesprogramm Spatz, die Sprachförderung in allen Tageseinrichtungen für Kinder mit Zusatzbedarf. Finanziert wird damit eine Förderkraft, die acht Stunden pro Woche mit den Kindern Deutsch lernt. Das sei zu wenig, sagt eine Mutter. Damit Vertrauen zwischen Lehrerin und Kindern entstehe, müsste sie öfter da sein. Wie oft die Sprachhelfer kommen, hängt von der Zahl der Kinder mit Förderbedarf ab.

Er habe erst einmal geschluckt, als er gefragt wurde, ob er seinen Sohn in der Fördergruppe anmelden wolle, erzählt ein Vater. Im Nachhinein sei er aber froh, dass er unterschrieben habe. Die Erzieherinnen würden gern auf die Zustimmung der Eltern verzichten, denn manche empfänden das Angebot Makel und sagten erst einmal Nein. Auch dass die Anträge jedes Jahr neu gestellt werden müssten, sei eine bürokratische Hürde.

Staatssekretärin von Wartenberg verspricht, bei dem Programm nachzuarbeiten. Derzeit nehmen landesweit 63 000 Kinder daran teil, für zwei Drittel ist Deutsch die Zweitsprache. Für die 7000 Fördergruppen zahlt das Land 2014 rund 17 Millionen Euro.

Das Kinderhaus in Mössingen hat einen anderen Schwerpunkt gesetzt. Es versteht sich als Haus der kleinen Forscher – ein Projekt, das von der Bundesregierung und mehreren Stiftungen finanziert wird. In einem Raum füllen Kinder Sand in Plastikflaschen – die werden später als Sanduhren verwendet. Nebenan wollen Melanie, Louis und Lucy herausfinden, ob kleine Murmeln genauso schnell rollen wie große. Im Spielzimmer haben junge Verkäuferinnen in einer Ecke ihren Kaufladen aufgebaut, in einer anderen bewirten zwei Mädchen in ihrem chinesischen Restaurant imaginäre Gäste. Was sie machen, entscheiden die Kinder jeden Morgen nach einer gemeinsamen Runde, sagt Leiterin Brigitte Straubinger, die bei der Planung des Neubaus vor einigen Jahren eng mit den Architekten zusammenarbeitete. „Unser Haus ist schließlich Lern- und Lebensraum für die Kinder und kein Aufbewahrungsort“, sagt sie. Dazu gehört auch ein Garten, in dem die Kinder mitarbeiten und die Veränderungen im Lauf des Jahres beobachten können. Und natürlich verwenden sie Früchte und Kräuter, wenn sie einmal wöchentlich kochen.

Unterstützt wird das Kinderhaus auch von der Industrie- und Handelskammer Reutlingen, die die Erzieherinnen fortbildet. In den vergangenen fünf Jahren hätten mehr als 3500 Erzieherinnen an entsprechenden Angeboten teilgenommen, sagt IHK-Vizepräsident Walter Hermann.

Auch an den Fachschulen hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert. Seit mehreren Jahren lernen angehende Erzieherinnen, wie sie die Naturwissenschaften „erfahrbar machen“ können. An der Mathilde-Weber-Schule in Tübingen gibt es unter anderem das Wahlpflichtfach „Forschen und Experimentieren“. Wenn die Berührungsängste überwunden seien, seien der Fantasie keine Grenzen gesetzt, berichtet die stellvertretende Schulleiterin Thea Caillieux.