OB Kuhn hat in der Vesperkirche nicht über große Politik, sondern über „kleine Themen“ geplaudert. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Fritz Kuhn hat sich in der Stuttgarter Vesperkirche unter die Leute gemischt. Dabei ging es um Themen, die die Menschen bewegen.

S-Mitte - Um die Mittagszeit herum ist der Betrieb besonders groß. Da herrscht in der für sieben Wochen zur Vesperkirche umfunktionierten Leonhardskirche stets der größte Menschenauflauf. Das Gewusel um die Essenausgabe und die 14 langen Tischreihen ist auch am Mittwoch derart groß und unübersichtlich, dass das Eintreffen des Oberbürgermeisters zunächst kaum jemandem auffällt.

Nicht jeder freut sich über den Besuch

Viele der Bedürftigen bekommen es wohl auch in der folgenden Stunde gar nicht mit, dass Fritz Kuhn zu Besuch ist. Sie sind völlig vertieft in ihren Teller mit gefüllten Paprika, Reis und Tomatensoße sowie in das Gespräch mit den Tischnachbarn. Manch einen stört sogar, dass der mit dem OB mitgekommene Tross an Fotografen und Journalisten ungewollt die engen Wege beispielsweise zur Geschirrrückgabe verstellt. „Was gibt es denn da groß zu gucken? Das ist ein Mensch wie jeder andere auch“, murrt eine ältere Dame.

Andere wiederum freut es schon, dass das Stadtoberhaupt seine Aufwartung bei ihnen macht. „Hallo Herr Kuhn“, sagen einige im Vorbeigehen und schütteln dem OB die Hand. Anders als in den Vorjahren will der Oberbürgermeister diesmal nicht hinter dem Tresen bei der Essensausgabe mitwirken, sondern setzt sich nach einer Weile an einen Tisch. „Ich bin hier, um mit den Verantwortlichen und mit den Leuten zu reden“, so Fritz Kuhn später.

Spezialrezept für den OB

Das große Los hat Hubert Moser gezogen. Ganz zufällig ihm gegenüber nimmt der OB im Beisein von Dekan Klaus Käpplinger Platz. Moser begrüßt die beiden mit einem kurzen Stück auf seiner Mundharmonika, ehe man sich angeregt unterhält. Es geht weder um die Vesperkirche als Institution noch um Armut oder Schicksale und erst recht nicht um die große Politik, sondern um „kleine Themen“, wie es Kuhn hinterher zusammenfasst. „Ich hab ihm geraten, dass man im neuen Park um den S-21-Hauptbahnhof herum Walnuss- oder Kirschbäume pflanzt, damit im Herbst was Essbares fürs Volk runterfällt und nicht nur Laub“, sagt Moser. Der 72-Jährige mit dem weißen Rauschebart ist seit zwölf Jahren regelmäßig in der Vesperkirche zu Gast. Er gibt dem OB am Ende noch ein Spezialrezept für ein Sechskornbrot aus Sauerteig, Mandeln und Walnuss mit auf dem Weg.

„Ich bin dankbar, dass es diese Institution gibt. Die Kirche schafft hier einen Zufluchtsort und einen Kommunikationsraum für Bürgerinnen und Bürgern, die sich einsam und ausgegrenzt in unserer Stadt fühlen“, sagt Kuhn und betont, dass neben der warmen Mahlzeit für viele die menschliche Zuwendung, die medizinische Hilfe und ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte genau so wichtig ist.