Hat mit neun Toren seine Ambitionen auf ein EM-Ticket eindrucksvoll untermauert: Frisch-Auf-Nationalspieler Tim Kneule. Foto: Baumann

Mit einer Energieleistung bezwingen die Handballer von Frisch Auf Göppingen den deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen mit 28:26. Die 4500 Zuschauer fragten sich hinterher: Warum sind solche Auftritte nicht öfter möglich?

Göppingen - Ab Viertel nach Zehn am Donnerstag Abend schlenderte ein Spieler von Frisch Auf Göppingen nach dem anderen in den Vip-Raum der EWS-Arena. Frisch geduscht, modisch adrett im weißen Hemd unter dem anthrazit farbenen Anzug stärkten sie sich nach 60 Minuten harter Arbeit. Das ist an sich nichts Besonderes, doch diesmal hatten die Bundesliga-Handballer nicht nur ein breites Grinsen im Gesicht, jeder einzelne wurde mit einem Riesenapplaus von den Gästen geradezu euphorisch begrüßt. „So etwas habe ich hier in dieser Form noch nie erlebt“, staunte der Sportliche Leiter Christian Schöne.

Frisch Auf Göppingen hatte zuvor den deutschen Meister Rhein-Neckar Löwen verdient mit 28:26 (14:14) bezwungen. Eine Riesenüberraschung war das – und entsprechend überschwänglich fiel der Jubel aus, als die Schlusssirene ertönte. Da gab es kein Halten mehr für die Männer in Grün und Weiß. Wie Flummis hüpften die Spieler gemeinsam mit ihrem Trainer Rolf Brack vor den 4500 hellauf begeisterten Zuschauern über das Spielfeld. Es war eine dieser Geschichten, die nur der Sport schreibt. Denn nach zuletzt fünf sieglosen Pflichtspielen hintereinander und zum Teil dürftigen Vorstellungen hatten nicht einmal die Superoptimisten unterm Hohenstaufen mit solch einem Ergebnis gerechnet.

Hofele hofft auf Initialzündung

„Das war eine wahnsinnige Energieleistung unserer Mannschaft, und ich hoffe, dass dies auch die Initialzündung für weitere erfolgreiche Auftritte darstellt“, sagte der überglückliche Geschäftsführer Gerd Hofele – und dachte gleich an diesen Samstag: „Wir müssen den Schwung mit ins Spiel nach Norwegen nehmen.“ Nach dem 27:27 im Hinspiel gegen OIF Arendal wird dies auch nötig sein, damit der Titelverteidiger in die EHF-Pokal-Gruppenphase (mit drei garantierten Heimspielen) einzieht.

Gegen die müden Löwen, die wettbewerbsübergreifend ihr neuntes Auswärtsspiel in Serie bestritten, ragten aus einer geschlossen auftretenden Göppinger Mannschaft Torwart Primoz Prost (17 Paraden) und Nationalspieler Tim Kneule heraus. Der wuchtige Rückraumspieler, dessen Vertragsverlängerung bei Frisch Auf immer wahrscheinlicher wird, spielte auf Halbrechts und warf neun Tore. Auch Kreisläufer Kresimir Kozina (6) und Kapitän Zarko Sesum (4) setzten wichtige Impulse.

Acht Schmid-Tore reichen den Löwen nicht

In dem hochspannenden Duell hatte es Frisch Auf nach dem 19:16 (40.) zweimal verpasst, auf vier Tore Unterschied davonzuziehen. Prompt kamen die Mannheimer wieder heran. Der überragende Andy Schmid führte nicht nur gekonnt Regie, er warf auch acht Tore – beim 25:25 (56.) war wieder alles offen. Doch Frisch Auf wuchs an diesem Abend über sich hinaus und schaffte mit einer Energieleistung im 14. Saisonspiel den erst dritten Sieg.

„Heute hatten wir auch mal das nötige Quäntchen Glück auf unserer Seite, um ein enges Spiel zu gewinnen“, gab sich Trainer Brack hinterher nicht euphorisch. Doch das Wesentliche für den 63-Jährigen war das Erfolgserlebnis: „Das ist von enormer Bedeutung fürs Selbstvertrauen der Mannschaft.“ Vor allem mit Blick auf das so eminent wichtige EHF-Pokal-Spiel am Samstag (17 Uhr) in Norwegen, zu dem Frisch Auf bereits an diesem Freitag um 6.30 Uhr aufbrach. „Nach einem Sieg regeneriert man besser“, sagte Schöne und war sich sicher, dass der Aufwärtstrend fortgesetzt wird.

Bracks große Aufgabe: Konstanz reinbringen

Bleibt nur die Frage, warum Frisch Auf bisher nicht einmal ansatzweise dazu fähig war, Leistungen wie gegen die Rhein-Neckar Löwen öfter aufs Parkett zu bringen. Schon die vergangene Saison verlief enttäuschend, die Mannschaft zeigte sich nicht in der Lage, konstant gute Auftritte abzuliefern. Den positiven Ausschlag hatte es im Final Four um den EHF-Pokal gegeben, als mit zwei grandiosen Siegen gegen den SC Magdeburg und die Füchse Berlin der Titel verteidigt wurde. „Wir müssen diese bedingungslose Siegermentalität in allen Spielen verinnerlichen“, fordert Brack. Nicht nur an diesem Samstag auf der internationalen Bühne bei OIF Arendal, sondern auch in den danach folgenden restlichen Bundesligasspielen im Jahr 2017 in Lübbecke (30. November), gegen den HC Erlangen (10. Dezember), bei der MT Melsungen (17. Dezember), gegen den THW Kiel (21. Dezember) und den TV Hüttenberg (27. Dezember). Gelingt es dem Handball-Lehrer Brack Konstanz in die Leistungen des Teams reinzubringen, hat er Entscheidendes bewegt in Göppingen.