Foto: Peter-Michael Petsch

Eine Tradition droht zu Ende zu gehen. Seit 1900 treten Artisten im Friedrichsbau Varieté auf. Nun will die L-Bank das Varieté nicht mehr unterstützen: Für 2013 will sie nur die Hälfte des bisherigen Betrags zahlen, 2014 gar nichts mehr.

Stuttgart - Das Geld reicht noch ein halbes Jahr. Das kann Gabriele Frenzel sagen, mehr noch nicht. „Wir haben keine Ahnung, wie es weitergeht“, sagt sie. Am 13. Dezember hat sie erfahren, dass die L-Bank das Friedrichsbau Varieté nach 19 Jahren nicht mehr unterstützen will. Mehrere Hunderttausend Euro hat die L-Bank Jahr für Jahr beigesteuert, seit 1994 das Varieté in die Rotunde eingezogen ist. Wie viel genau, das will keiner der Beteiligten sagen. Auch über das Ende des Engagements sollte eigentlich keiner reden, nun ist die Kunde durchgesickert.

Warum die Bank nicht mehr will? Das begründet sie in einer Mitteilung: „Es ist für jeden Förderer wichtig, die Förderschwerpunkte in sinnvollen Abständen anzupassen.“ Das Varieté sei das mit Abstand größte Sponsoringengagement der L-Bank. „Es war nie auf unbefristete Zeit angelegt und soll nun wegen seiner Größe und Dauer beendet werden. Aktuell liegt dem Varieté ein Vertragsangebot für 2013 vor. Die L-Bank hat sich dazu entschlossen, das Engagement ab 2014 nicht mehr weiterzuführen.“

Mehr als diese paar Sätze gibt es nicht, auch auf Nachfragen. Dabei bleiben viele Fragen offen: Warum wird die Summe fürs nächste Jahr halbiert? Was geschieht mit der Spielstätte, der Rotunde an der Friedrichstraße? Soll das Varieté raus? Hat die Bank einen Nachmieter? Warum wird die Entscheidung so kurzfristig verkündet?

80 Mitarbeiter bangen um ihre Zukunft

Auch Frenzel rätselt, warum die „lange, gute Partnerschaft“ so endet. „Wir sind der L-Bank für ihr Engagement sehr dankbar, das war und ist außergewöhnlich“, sagt sie, „aber wie sollen wir in der Kürze der Zeit reagieren?“ Nicht nur, dass die Etats der Firmen fürs Jahr 2013 vergeben seien, man habe die Produktionen für dieses Jahr geplant und Verträge mit Künstlern geschlossen. Muss das Varieté Mitte des Jahres mangels Geld schließen, können die Künstler dennoch auf ihre Verträge pochen und ihre Gage einfordern. „Und man sollte nicht vergessen, wir sind nicht nur Imageträger für Stadt und Land, sondern auch ein Arbeitgeber.“ Man beschäftige 80 Mitarbeiter, die um ihre Zukunft bangen. Was also tun?

Nun gehört das Friedrichsbau Varieté zum Unterhaltungsbetrieb DEAG. Den sieht Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann zunächst in der Pflicht. „Natürlich wollen wir das Varieté erhalten“, sagt sie, „aber erst einmal muss sich die DEAG erklären.“

Das machte die Firma via Pressemitteilung. Und erinnerte daran, dass sie 1993 vom Vorstand der L-Bank gebeten worden sei, ein Konzept für die Rotunde zu entwickeln. Mehrere Millionen Euro habe die DEAG in den Ausbau investiert, „aber um einen hochklassigen Theaterbetrieb zu gewährleisten, war die Kapazität mit 369 Sitzplätzen von Anfang an zu klein“. Aus diesem Grund habe die L-Bank eine finanzielle Förderung des Friedrichsbau Varietés geleistet. Dennoch sei es nicht gelungen, „einen nennenswerten Gewinn zu erwirtschaften“. So gab es etwa bei einem Durchschnittspreis von 29 Euro je Ticket in den vergangenen beiden Jahren einmal einen Gewinn von 60 000 Euro und einmal einen Verlust von 230 000 Euro. Die Schlussfolgerung der DEAG: „Eine Weiterführung des Theaterbetriebs . . .  ist ohne die bisherige Ausgleichszahlung für die zu geringe Kapazität der von der L-Bank errichteten Rotunde nicht möglich.“ Deshalb bitte man die L-Bank, die Förderung „zumindest für das Jahr 2013 weiter zu leisten, um dem Varieté die Möglichkeit zu geben, nach alternativen Sponsoren oder Förderern zu suchen“.

Auch Finanzbürgermeister Michael Föll ist irritiert, ob des „mageren Zeitrahmens“, den die Bank dem Varieté zubillige. Und ob der Tatsache, dass bis jetzt unklar sei, was geschehe, wenn das Varieté neue Sponsoren gewinne. Darf es dann in der Rotunde bleiben? Für die das Varieté laut Frenzel 60 000 Euro Pacht und 60 000 Euro Nebenkosten im Jahr bezahle. „Da gibt es einiges zu klären“, sagt Föll, „darüber muss man mit der L-Bank sprechen.“ Wobei die Stadt gerne helfe. Auch mit Geld? Das können und wollen weder Föll noch Eisenmann versprechen. Aber beide sagen unisono: „Das Varieté muss Stuttgart als Aushängeschild erhalten bleiben.“ Damit eine lange Tradition nicht zu Ende geht.