Die Verleihung des Friedensnobelpreises in Oslo (von links): Kronprizessin Mette-Marit, Kronprinz Haakon, Nobelpreisträger Kailash Satyarthi und Malala Yousafzai, König Harald und Königin Sonja Foto: dpa

Sie ist die jüngste Friedensnobelpreisträgerin aller Zeiten und nach eigenen Worten wahrscheinlich die einzige, "die sich noch mit ihren Brüdern streitet". Die 17-jährige Malala hat in Oslo ihre Auszeichnung entgegengenommen und eine bewegende Rede gehalten.

Oslo - Als jüngste Preisträgerin der Geschichte hat die pakistanische Kinderrechtlerin Malala Yousafzai den Friedensnobelpreis in Oslo bekommen. Sie sei sehr stolz, die erste Pakistani und die erste Jugendliche zu sein, die den Nobelpreis entgegennehme, sagte die 17-Jährige bei der Verleihung im Rathaus der norwegischen Hauptstadt.

„Ich bin ziemlich sicher, dass ich auch die erste Empfängerin des Friedensnobelpreises bin, die immer noch mit ihren jüngeren Brüdern streitet“, scherzte Yousafzai. „Ich will, dass überall Frieden ist, aber meine Brüder und ich arbeiten noch daran.“

Die mit rund acht Millionen schwedischen Kronen (rund 860.000 Euro) dotierte Auszeichnung bekam der Teenager gemeinsam mit dem Inder Kailash Satyarthi. Er setzt sich in seiner Heimat gegen Kinderarbeit ein und hat laut der norwegischen Jury maßgeblich zur Entwicklung von Kinderrechtskonventionen beigetragen. „Es gibt keine größere Gewalt als unseren Kindern ihre Träume zu verwehren“, sagte der 60-Jährige, der Malala „Tochter“ nennt.

Mann mit Flagge stört Feier

Gestört wurde die Feier durch einen Mann, der die Bühne während der Preisübergabe mit einer Fahne stürmte, die norwegische Medien als die mexikanische Flagge identifiziert haben wollen. Sicherheitskräfte führten den Mann sofort ab.

Satyarthi und Yousafzai seien genau die Menschen, die Alfred Nobel in seinem Letzten Willen „Friedenschampions“ nenne, sagte der Vorsitzende des Nobelkomitees, Thorbjørn Jagland. Bewusst gehe der diesjährige Preis an einen älteren Mann und ein junges Mädchen, einen Inder und eine Pakistani, einen Hindu und eine Muslimin. Über Yousafzai sagte Jagland: „Ihr Mut ist nahezu unbeschreiblich.“

Die 17-Jährige selbst erklärte in ihrer berührenden Rede: „Mir ist aufgefallen, dass Menschen mich ganz unterschiedlich beschreiben.“ Manche nennen sie „das Mädchen, das von den Taliban angeschossen wurde“, andere nun Nobelpreisträgerin. „Soweit ich weiß, bin ich einfach nur eine engagierte und sture Person, die eine gute Ausbildung für alle Kinder, gleiche Rechte für Frauen und Frieden in jeder Ecke der Welt sehen will.“

Yousafzai war mit ihrem Kampf für die Rechte von Mädchen und Frauen insbesondere auf Bildung weltberühmt geworden, nachdem ihr die Taliban vor zwei Jahren bei einem Anschlag ins Gesicht geschossen hatten. „Ich hatte zwei Optionen, die eine war, zu schweigen und darauf zu warten, getötet zu werden. Und die zweite war, die Stimme zu erheben und dann getötet zu werden. Ich habe mich für die zweite entschieden.“

Zwei ihrer Freundinnen, die 2012 bei der Attacke der Taliban dabei waren, und einige andere Mädchen begleiteten Yousafzai zur Zeremonie. „Auch sie haben ein tragisches Trauma erlebt.“ Durch den Preis fühle sie sich nun stärker, sagte die 17-Jährige. „Ich werde diesen Kampf weiterführen, bis jedes Kind zur Schule gehen kann.“

Die Begründung des norwegischen Nobelkomitees im Wortlaut

„Das norwegische Nobelkomitee hat sich entschieden, den Friedensnobelpreis 2014 an Kailash Satyarthi and Malala Yousafzai für ihren Kampf gegen die Unterdrückung von Kindern und jungen Menschen und für das Recht aller Kinder auf Bildung zu vergeben. Kinder sollten zur Schule gehen und nicht finanziell ausgebeutet werden. In den armen Ländern der Welt sind 60 Prozent der aktuellen Bevölkerung unter 25 Jahre alt. Es ist eine Voraussetzung für eine friedliche weltweite Entwicklung, dass die Rechte von Kindern und jungen Menschen respektiert werden. Besonders in Konfliktregionen führt der Missbrauch von Kindern zum Fortbestehen von Gewalt - von Generation zu Generation.

Kailash Satyarthi hat großen persönlichen Mut bewiesen, indem er, in der Tradition Gandhis, verschiedene Formen von Protesten und Demonstrationen angeführt hat, alle friedlich, mit einem Fokus auf die schwere Ausbeutung von Kindern aus wirtschaftlichen Gründen. Er hat auch zu der Entwicklung von wichtigen internationalen Kinderrechtskonventionen beigetragen.

Trotz ihrer Jugend kämpft Malala Yousafzai schon seit einigen Jahren für das Recht von Mädchen auf Bildung und hat beispielhaft gezeigt, dass Kinder und junge Menschen selbst dazu beitragen können, ihre eigene Situation zu verbessern. Das hat sie unter den gefährlichsten Umständen getan. Durch ihren heldenhaften Kampf ist sie zu einem führenden Sprachrohr für das Recht von Mädchen auf Bildung geworden.

Das Nobelkomitee betrachtet es als wichtigen Punkt, dass ein Hindu und eine Muslimin, ein Inder und eine Pakistani, den Kampf für Bildung und gegen Extremismus gemeinsam aufnehmen. Viele andere Individuen und Institutionen in der internationalen Gemeinschaft haben ebenfalls beigetragen. Laut Schätzungen gibt es heute weltweit 168 Millionen Kinderarbeiter. 2000 war diese Zahl 78 Millionen höher. Die Welt hat sich dem Ziel, Kinderarbeit auszulöschen, genähert.

Der Kampf gegen Unterdrückung und für die Rechte von Kindern und Jugendlichen trägt zu der Verwirklichung der „Brüderlichkeit zwischen Nationen“ bei, die Alfred Nobel in seinem Testament als eines der Kriterien für den Friedensnobelpreis nennt.

Oslo, den 10. Oktober 2014“