Gab dem Preis seinen Namen: Alfred Nobel Foto: dpa

Ein Insider des Nobelpreiskomitees äußert schwere Zweifel an der Kompetenz des Gremiums. Der Ruf nach Reformen wird immer lauter.

Oslo - Lange hatte der Friedensnobelpreis einen nahezu unantastbar guten internationalen Ruf. Doch Preisvergaben etwa an die EU in einem der schlimmsten Krisenjahre der Organisation, an den erst frisch ins Amt gewählten US-Präsidenten Barack Obama und auch im letzten Jahr an die 17-jährige pakistanische Schülerin Malala Yousafzai, haben zu viel Kritik geführt.

Dass ausgerechnet der norwegische Historiker Geir Lundestad, von 1990 bis 2015 Direktor des norwegischen Nobel-Instituts in Oslo und Sekretär des norwegischen Friedensnobelkomitees, nun ein Enthüllungsbuch über die Interna des Preiskomitees veröffentlicht, hat die Debatte um Reformen weiter angeheizt. Noch nie zuvor hat ein internes Mitglied so offen über die Zustände Auskunft gegeben. Lundestad muss gar mit einer Klage wegen Bruchs der Verschwiegenheit rechnen.

Es sei der Öffentlichkeit „zu wenig bis gar nichts“ über die fünf Mitglieder der Friedensjury bekannt, kritisierte er in „Sekretär des Friedens – 25 Jahre mit dem Nobelpreis“. Die Mitglieder werden stets nach den Mehrheitsverhältnissen im norwegischen Parlament ausgewählt – zumeist aus altgedienten Politikern aus Dank für deren Dienste.

Ex-Jurychef Jagland im Kreuzfeuer

Lundstad bezeichnet Mitglieder als inkompetent. Sie hätten wenig Interesse an Kernthemen des Komitees und mangelnde Englischkenntnisse. „Das Parlament sollte sorgfältiger damit sein, wen es in dieses Komitee wählt“, schreibt er.

Vor allem mit dem Ex-Juryvorsitzenden Thorbjörn Jagland, inzwischen nur noch normales Jury-Mitglied, geht er hart ins Gericht. Der sozialdemokratische Ex-Premier habe „überraschend große Wissenslücken“, sei „unorganisiert“, „ein lausiger Führer“, und „nicht bereit, von anderen zu lernen“.

Auch andere in dieser Frage einflussreiche Norweger haben sich zu Wort gemeldet und stärken Lundestad zumindest teilweise den Rücken. So auch Kristian Harpviken, Direktor des Osloer Friedensforschungsinstitutes PRIO. „Ich denke nicht, dass der Preis in einer Krise steckt. Sein weltweites Ansehen ist intakt. Aber Reformen sind nötig“, sagt er unserer Zeitung. „Das Parlament sollte neben Politikern auch andere Experten, etwa aus der Wissenschaft oder Friedensaktivisten oder außenpolitische Kommentatoren, in die Jury schicken.“ Harpviken geht noch weiter: „Auch glaube ich, dass es den Preis unabhängiger machen würde, wenn wir Ausländer in das Gremium einberufen würden. Ich sehe nicht ein, warum es nur Norweger sein sollen.“

Experten fordern Reformen

Norwegen leidet wirtschaftlich und politisch bis heute an der Auszeichnung für den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo 2010. China hat mit versteckten Sanktionen gegen Norwegen reagiert. Lundestad enthüllte, dass der damalige Außenminister Jonas Gahr Störe vergeblich versucht hatte, die Jury von der Vergabe abzubringen.