Bogenschießen stärkt Konzentration, Kraft, Haltung und den Umgang mit Erfolg und Misserfolg. Die Sportart wird auch als Mittel zur Persönlichkeitsentwicklung genutzt Foto: Ferrando/Fotolia

Bislang war der Klettergarten die Hauptattraktion im Freizeitpark Rutesheim. Nun kommen dort auch Bogenschützen auf ihre Kosten – in der neuen Schießanlage.

Rutesheim - Der Blick ist starr auf die Zielscheibe gerichtet. Die rechte Hand zieht die Sehne, die vom Zeige- und Mittelfinger gehalten wird, in Richtung des Kinns straff. Dabei hält die Linke den geschmeidigen Holzbogen ausgestreckt vor sich. Die gebogenen Sportgeräte gibt es hier in vier verschiedenen Größen und mit unterschiedlichen Zuggewichten. Die Spannkraft und das Zuggewicht bestimmen die Geschwindigkeit des Pfeils.

Sind die Schultern entspannt, der Rücken gerade und die Knie durchgestreckt? Diese Fragen beschäftigen den konzentrierten Schütze vor dem Schuss. Denn schließlich möchte jeder den kleinen gelben Kreis in der Mitte der Zielscheibe treffen. Bis zu 15 Schützen können gleichzeitig zielen und stehen aufgereiht nebeneinander.

Der Bogen gilt als ältestes Jagdgerät der Menschheit und wurde als eine der ersten Waffen bei gegnerischen Auseinandersetzungen eingesetzt. Das Bogenschießen als Sport gibt es schon lange und gehört zu den olympischen Disziplinen.

Beim intuitiven Bogenschießen verlässt er Schütze sich auf sein Gefühl

Immer populärer wird das intuitive Bogenschießen als meditatives Mittel. Die Kombination aus Bewegung in der Natur und dem Abschalten vom Alltagsstress durch die Konzentration aufs Ziel wirken beruhigend und sollen sogar die Entwicklung der Persönlichkeit fördern. Beim intuitiven Ansatz verlässt sich der Schützte beim Abschuss auf sein Gefühl.

Bei diesem Kurs gibt die Aufsicht das Kommando: „Pfeile frei“. Langsam fängt der ausgestreckte Arm an, sich bemerkbar zu machen und zittert leicht. Wer keinen Lederschutz zwischen den Fingern trägt, dem schneidet mit der Zeit die Sehne in die Haut. Beim Abschuss zischt es leise und der Carbonpfeil schießt nach vorne. „Bei Sportschützen können Geschwindigkeiten bis zu 200 Kilometer pro Stunde erreicht werden“, erklärt Trainerin Evelin Manz.

Vier Versuche bekommt der Freizeitschütze auf der Anlage. Wenn der Ständer bei allen leer ist, folgt das Kommando ‚Pfeile stopp’, das als einziger Befehl von allen gerufen werden darf. Denn es sollen schließlich keine neugierigen Spaziergänger ins Visier geraten. Der dritte Befehl ‚Pfeile holen’ bedeutet, dass die Abschusslinie, also die grüne Matte, verlassen werden darf und die Pfeile eingesammelt werden können. „Hier droht am ehesten Verletzungsgefahr, denn allzu leicht wird die kleine orangenfarbene Nocke am Ende des Pfeils übersehen“, warnt Manz. Dass ein Pfeilende im Auge lande, komme sogar bei den professionellen Sportlern ab und zu vor.

Tierattrappen aus Hartgummi

Geübte Schützen schießen gern auf Tierattrappen aus Hartgummi

Wer eine hohe Trefferquote erreichen will, sollten den Anweisungen des Trainers bei der rund zehnminütigen Einführung aufmerksam folgen. „Die geübteren Schützen entscheiden sich gerne für die Tierattrappen aus Hartgummi“, weiß Heiko Barthelmess, der gemeinsam mit seinem Vater und Bruder die Freizeitanlage betreibt. „Für Anfänger ist es eine tolle Leistung, wenn sie die 80x80 Zentimeter große Holzplatte mittig treffen.“ Es sei aber normal, wenn der ein oder andere Pfeil anfangs daneben gehe. Die Suche nach den Flugteilchen gehört zum Spaß dazu.

Drei Stunden hat jeder zur Verfügung. „Wer im T-Shirt schießt, sollte einen Armschutz nehmen“, erklärt die Trainerin. Sie weiß aus Erfahrung, dass die Sehne blaue Flecken und schmerzhafte Hautabschürfungen hinterlassen kann.

Je nach Wahl sind die Zielscheiben zwischen zehn und 35 Metern vom Abschussbereich entfernt. Wer die Herausforderung sucht, kann weitere Distanzen wählen oder beispielsweise auf die knapp einen Meter große Eule zielen. „Wer allerdings Mühe hat, die Scheiben zu treffen, braucht unsere 3D Ziele gar nicht erst zu testen“, meint Heiko Barthelmess (32), der bei einem Urlaub Gefallen an Pfeil und Bogen gefunden hat. Er setzt gerne um, was ihn selber reizt. So verließ er 2009 seinen sicheren Arbeitsplatz bei Porsche und baute gemeinsam mit seiner Familie die bestehende Minigolfanlage zu einem kleinen Freizeitpark mit Klettergarten und Gastronomie aus.

Neu ist in diesem Jahr auch die große Bungee-Anlage

Neu ist in diesem Jahr nicht nur die Anlage zum Bogenschießen, sondern auch das Baumklettern und die große Bungee-Anlage, die vor allem bei den jüngeren Gästen für Bauchkitzeln sorgen soll. An den Bogen können sich Erwachsene und Kinder ab zehn Jahren probieren. „Wenn wir nicht ständig erweitern, gehen wir schnell unter“, glaubt Barthelmess. „Ich war als Kind mit Minigolf glücklich, aber heute wollen die meisten immer neue Kicks.“

Bogenschießen gäbe es im Umkreis nur als Vereinssport. Dabei spreche dieser Sport neben dem körperlichen, auch den geistigen Aspekt an. Denn neben der Körperspannung komme es besonders auf die Konzentration an. So freut es Barthelmess, dass es für das neue Angebot bereits Nachfragen von Unternehmen gibt, die ihren Mitarbeitern Abwechslung bieten wollen.

Evelin Manz, die auch schon bei den deutschen Meisterschaften angetreten ist, bestätigt: „Ich kann den Kopf noch so voller Gedanken haben, aber wenn ich an der Schusslinie stehe und die Natur um mich herum spüre, sind sie wie weggeblasen.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass sich Frauen mit Männern messen können, denn körperliche Dominanz sorge nicht für eine bessere Zielsicherheit. Somit ist viel Spaß beim gemeinsamen Wettschießen für groß und klein garantiert.