Kritiker bemängeln, dass die Verhandlungen des Freihandelsabkommens nicht transparent sind. Foto: dpa

Abgeordnete des Bundestages sollen zwar eines Tages darüber abstimmen, ob das umstrittene Freihandlesabkommen zwischen der EU und den USA in Kraft tritt. Sie dürfen derzeit aber nicht Einblick in die Verhandlungsunterlagen nehmen. Zutritt zum Leseraum haben nur 139 Mitarbeiter der Ministerien.

Berlin - Zwei Bemerkungen vorweg: Die Kritiker eines transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP), das in diesen Monaten zwischen den USA und der EU ausgehandelt wird, bemängeln immer wieder die mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen. Und: Vermutlich spielt bei denjenigen, die das Abkommen ablehnen, ja es zuweilen mit Halbwahrheiten bekämpfen, auch antiamerikanische Reflexe eine Rolle. Schließlich hat Deutschland bereits mit über 160 Ländern Freihandelsabkommen abgeschlossen, ohne dass es jemals nennenswerten Widerstand in der Öffentlichkeit gegeben hätte.

Gelegentlich nähren aber auch diejenigen, die sich für das Abkommen stark machen, selbst den Eindruck von Geheimniskrämerei. Ein Beispiel dafür liefert die Regierungspressekonferenz vom Mittwoch. Drei Mal die Woche stellen sich die Sprecher der Bundesregierung sowie der einzelnen Ministerien regelmäßig den Fragen der Parlamentskorrespondenten. Dabei ging es diesmal auch um TTIP. Ein Journalist wollte wissen, wer von den Ministern und auf welchem Wege denn Einblick in die Verhandlungsunterlagen genommen habe.

Wo befindet sich der Leseraum?

Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, das federführend in der Bundesregierung TTIP betreut, erwähnte dann, dass „Leseräume“ eingerichtet wurden, zu denen Regierungsmitglieder Zutritt hätten. Wann und wer allerdings dort Einblick genommen habe, „das kann ich Ihnen so nicht beantworten“. Der Journalist, der die Sitzung leitete, sagte daraufhin: „Es sind ja alle da.“ Ob nicht der eine oder andere Sprecher für seinen jeweiligen Ressortchef Auskunft geben könne. Daraufhin klinkte sich die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz ein: „Ehrlich gesagt, ich finde, das ist eine Frage, die für eine Regierungspressekonferenz ein bisschen weit geht.“ Darauf der Journalist, der die Sitzung leitet: „Nein, das finde ich nicht.“ Wirtz forderte sodann den Journalisten auf: „Wenn Sie die Frage geklärt haben wollen, dann richten Sie sie einfach noch einmal schriftlich an unsere Häuser.“ Der fragende Journalist bat dann alle Ministerien darum, zu sagen, welche Regierungsmitglieder Zugang hätten. Woraufhin Frau Wirtz sagte: „Schreiben Sie uns. Wenn Sie die Antwort haben wollen, dann werden wir Ihnen die Antwort auch geben.“ Dann schaltete sich noch einmal der Journalist ein, der die Pressekonferenz leitete: „Das entspricht nicht unseren Gepflogenheiten.“ Wenn die Frage gestellt sei, so müsse man nicht noch einmal die Frage einreichen. Dann reiche üblicherweise das betreffende Ministerium die Antwort nach.

Das Wirtschaftsministerium reichte nachmittags die Antwort dann auch nach. Nun ist klar, wo sich der Leseraum befindet. „Am 18. Mai wurde in der US-Botschaft in Berlin ein TTIP-Leseraum eröffnet, indem 11 konsolidierte Verhandlungstexte einsehbar sind.“ Das heißt also: Ein Mitglied der Bundesregierung, das sich über den Verhandlungsstand bei TTIP informieren will, muss sich dafür in die Botschaft der USA am Pariser Platz begeben. Das ist zwar nicht weit, direkt am Brandenburger Tor. Aber immerhin. Das Gelände der Botschaft ist zwar nicht exterritorial, es steht aber unter speziellem völkerrechtlichen Schutz. So darf etwa das Gastgeberland eine diplomatische Vertretung nur nach Einwilligung des Missionschefs betreten.

Ganz spezielle Öffnungszeiten

Die „Modalitäten“ , so heißt es weiter in der nachgereichten Antwort aus dem Hause von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), für den Zugang zu den Leseräumen seien zwischen EU-Kommission und US-Seite verhandelt und festgelegt worden. Das Ministerium habe „aktuell 139 Personen aus den Fachministerien“ gemeldet, die auch alle von US-Seite die Genehmigung erhalten hätten, die Dokumente einzusehen.

Der Leseraum in Berlin ist zwei Mal in der Woche von 10 bis 12 Uhr geöffnet. Höchstens zwei Personen dürften ihn gleichzeitig nutzen. „Die Nutzung ist jeweils mit der US-Botschaft abzustimmen.“ Texte liegen in einfacher Kopie vor. Von den 139 berechtigten Ministeriumsmitarbeitern haben bisher „ca. 30 Personen“ die Gelegenheit genutzt und Einblick genommen. Damit sei der Leseraum „bis auf Feiertage, Ferien und Terminengpässe in der US-Botschaft“ fast durchgängig belegt gewesen. Es gibt übrigens auch einen Leseraum in der EU-Kommission in Brüssel, auch der ist bereits von deutschen Regierungsvertretern genutzt worden. Von wie vielen? „Dem Bundeswirtschaftsministerium liegen hierzu allerdings keine Zahlen vor.“ Wohl gemerkt: Abgeordnete dürfen nicht Einblick nehmen.

Noch Fragen zur Transparenz zu TTIP auf Seiten der Bundesregierung?