An der Tourist-Information am Hauptbahnhof soll es ab Frühsommer funken Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Der Verein Freifunk will ermöglichen, was die Stadt nicht schafft: Einen kostenfreien Zugang zum Internet in der ganzen City. Den nötigen Schub soll dem Projekt der Kirchentag verleihen. Und auch die Piratenpartei zeigt sich bereits begeistert.

Stuttgart - Stell dir vor, in ganz Stuttgart und der Region gibt es freies und kostenloses WLAN. Drahtlos mit tragbaren Computern und Smartphones ins Internet – ohne Zusatzkosten. Was es in anderen europäischen Städten stellenweise gibt, ist auch für Stuttgart eine Vision, die gar nicht so abwegig ist, so Michael Schommer, hauptberuflich IT-Fachmann, nebenher leidenschaftlicher Freifunker. Schommer ist Gründungsmitglied des Vereins Freifunk Stuttgart. Seit 2004 arbeiten dort über 50 Technikfreaks an ihrem Traum: einen lückenlosen Internetzugang, den jeder frei und kostenlos nutzen kann. „Dafür investieren wir Zeit, Geld und Nerven“, sagt Schommer. Der Gegenwert, den sie dafür bekommen, sei „Spaß an der Sache, der soziale Aspekt und die Lust daran, etwas organisch wachsen zu sehen“. Ebendieses imaginäre Netz.

Das Stuttgarter Bürgernetz.

Das Zauberwort heißt WLAN. Kurzwort für Wireless Local Area Network, übersetzt: drahtloses lokales Netzwerk. Die Stuttgarter Piratenpartei knüpft daran mit. Zum Beispiel, indem sie sozial schwächeren Stuttgartern die Zugangsgeräte, sogenannte Router, als Dauerleihgabe zur Verfügung stellt. So soll dieses Netz Stück für Stück, Funkzelle für Funkzelle, Masche für Masche enger geknüpft werden. Bis der Netzwerk-Teppich ganz Stuttgart bedeckt.

Freifunker suchen Unterstützer

Dazu brauchen die Freifunker freilich Unterstützung. „Jeder kann mitmachen“, sagt Schommer. Wenn schon ein Freifunk-Knoten in der Nachbarschaft sei, könne ein Router auch ohne Internetzugang als Signalgeber Teil des Ganzen sein. Er funkt die Signale zum nächsten Knotenpunkt weiter.

Wer seinen Internetanschluss mit Freifunk teilt, müsse nicht seinen ganzen Datenspielraum zur Verfügung stellen. „Man kann auch nur einen Teil freigeben“, erklärt Schommer und versichert: „Wenn es Probleme beim Einrichten des Freifunk-Routers gibt, helfen wir weiter.“

Wichtiger als die praktische Hilfe ist jedoch der Kampf gegen diffuse Ängste. „Keiner muss sich Sorgen darüber machen, dass er als Freifunk-Mitglied für mögliche illegale Nutzung anderer haften muss“, versichert der Experte. „Die sogenannte Störerhaftung findet in diesem Fall keine Anwendung. Denn wer sein Signal im Freifunk-Netz zur Verfügung stellt, gibt diesen Teil der Verantwortung an den Freifunk-Verein ab und tritt selbst nicht nach außen in Erscheinung“, erklärt Schommer. Auch Firmen oder Gastronomiebetriebe, wie etwa ein asiatisches Speiselokal in der Schulstraße.

Das Ziel sind 100 Zugangspunkte

In diesem Zusammenhang begrüßt der Freifunker auch das Engagement der Stuttgart Marketing und des Anbieters Kabel BW, die bis zum Beginn des Kirchentags (3. bis 7. Juni) die Innenstadt mit einem kostenlosen WLAN-Signal ausstatten wollten. Bisher sieht es allerdings eher so aus, dass lediglich am Hauptbahnhof und auf dem Marktplatz kostenloses Surfen im Internet per Smartphone oder Tablet möglich sein wird. „Technisch spielen wir und Kabel BW denselben Sport in derselben Liga“, sagt Schommer, „aber die sind halt der FC Bayern und wir der FC Augsburg.“ Soll im übertragenen Sinn heißen: „Wir Freifunker geben viel weniger Geld für guten Fußball aus.“

Bisher haben die Freifunker etwa 190 Unterstützer im Stadtgebiet. „Aber unser Ziel ist es, bis zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 300 zu erreichen“, sagt Schommer, „jeder weitere Knoten bringt uns dieser Idee näher.“ Auch wenn Schommer er im Konzept „Freifunk“ Verbindungen zu fast allen politischen Richtungen sieht, hat die Piratenpartei bisher den besten Draht dazu. An vorderster Front Michael Knödler. Der Mathematiker hat schon mal hochgerechnet, wie viele Zugangspunkte im Großraum Stuttgart nötig wären, um ein flächendeckendes Netz zu spannen.

„Wir gehen von etwa 1000 Knoten aus“, sagt Knödler. Und bei seiner Rechnung ist ihm eine Idee gekommen: „Wenn alle städtischen Einrichtungen, also Behörden oder Museen, aber auch die Verkehrsbetriebe mitmachen würden, dann hätten wir unseren Traum verwirklicht.“ Knödler und die Piraten haben diesen Wunsch auch beim Bürgerhaushalt eingebracht. Viel Hoffnungen machen sich Knödler und Schommer indes nicht: „Wir glauben, die Stadt hat Angst.“