Gründerinnenzentrum: Frauen warten nicht mehr auf die Quote, sondern werden selbst Chef.

Berlin - Sie machen sich keine Gedanken über die Frauenquote, stoßen an keine gläsernen Decken: Selbstständige sind ihr eigener Chef. Immer mehr Frauen machen ihr eigenes Unternehmen auf. Gründerinnenzentren wie die Weiberwirtschaft in Berlin helfen.

Die Polizisten ziehen die Schultern hoch, stecken den Kopf in den Kragen. Ein kalter Wind pfeift durch die Anklamer Straße - drei U-Bahn-Stationen vom Berliner Alexanderplatz entfernt. Die Polizisten stehen Wache. Sie schauen mit erwartungsvollen Blicken durch die Gegend. Als hofften sie, dass etwas passiert. Aber alles, was sie sehen, sind Frauen.

Katja von der Bey zum Beispiel. Chefin der Berliner Weiberwirtschaft, Europas größtem Gründerinnenzentrum. Hier finden Frauen günstig Räume und Hilfe, wenn sie sich selbstständig machen wollen. Sie nickt den Polizisten zu. "Wir sind hier gut bewacht." Das liegt allerdings daran, dass der neue Verteidigungsminister in der Nachbarschaft wohnt. Die Unternehmerinnen, die zu der Genossenschaft gehören und im 7100 Quadratmeter großen Backsteingebäude ihre Läden haben, brauchen keine Männer, die sie schützen. Um ihre Sicherheit kümmern sie sich selbst. Manchmal muss man Vertrauen haben. Im Aufzug hängt ein Schild. Darauf steht, dass das rhythmische Tuckern des Gefährts keine Gefahr für die Fahrgäste bedeute.

Das Zentrum ist auf Frauen zugeschnitten. Weil sie anders gründen. "Sie starten mit weniger Kapital als Männer, brauchen kleinere Räume", sagt Katja von der Bey. In der Weiberwirtschaft gibt es darum Büroräume ab 14 Quadratmeter Größe. Über 60 Unternehmerinnen haben hier ihre Läden. Bisher mussten nur drei wegen Insolvenz aufgeben. Von den 161 Angestellten der Gründerinnen sind 18 Männer. "Wir haben ja nichts gegen sie", sagt Katja von der Bey, die sich als Feministin bezeichnet.

Laut einer Studie der KfW-Bankengruppe arbeiten Frauen oft allein. Der Anteil Soloselbstständiger liegt bei Frauen bei über 60 Prozent, bei Männern bei 48 Prozent. Förderprogramme sollen mehr Frauen in die Selbstständigkeit bringen. "Der Staat will, dass sich die Frauen um ihre Brötchen selbst kümmert", sagt eine Expertin.

"Frauen gründen oft aus der Not heraus." Weil sie arbeitslos geworden sind oder weil sie nach einer Scheidung für sich und die Kinder allein sorgen müssen. Bei Solway Herschel war es so ähnlich. Heute steht sie in ihrem eigenen Buchladen in der Anklamer Straße. 1996 hat die Kunsthistorikerin ihren Laden eröffnet. Als alleinerziehende Mutter zweier kleiner Kinder mit wenig Kapital. Ohne Weiberwirtschaft hätte sie sich schwerer in die Selbstständigkeit gewagt. So geht es vielen Frauen. Immer noch.

Immer mehr Frauen machen sich selbstständig

Die Zahl der selbstständigen Frauen ist seit 1991 (780.000 Selbstständige) zwar um 68 Prozent gestiegen, liegt mit 1,3 Millionen Gründerinnen aber immer noch weit unter der Zahl der männlicher Existenzgründer (2,9 Millionen). "Frauen gründen vor allem Unternehmen in den Bereichen Dienstleistung, Handel, Gastronomie, Kultur und Produktion", sagt Katja von der Bey. "Viele machen sich selbstständig, weil sie an die gläserne Decke stoßen." Bei der Weiberwirtschaft gibt es ein Anwaltsbüro, eine Fahrschule, Modedesigner - das Label Lalaberlin von Leyla Piedayesh ist das prominenteste Beispiel.

"Selbstständige Frauen haben überdurchschnittlich oft Kinder", sagt Katja von der Bey. In der Weiberwirtschaft gibt es eine Kita mit 70 Plätzen. "Nirgendwo in Europa ist die Geburtenrate so hoch wie hier", sagt sie. "Gründerinnen brauchen eine Infrastruktur, die es ihnen erlaubt, zwischendurch Erledigungen zu machen. Einkaufen gehen zum Beispiel."

Kaska Hass hat keiner Kinder. Sie ist auch nicht verheiratet. Dafür kümmert sie sich um die Hochzeit anderer. Sie schneidert individuelle extravagante Brautmode. Weil eine Hochzeit ein persönliches Fest sein soll, sagt sie. Und weil es auf dem Markt nur Standardkleider und -anzüge gibt. Es kommen ganz unterschiedliche Menschen zu ihr. Die Botschafterin von Island war da, hetero- und homosexuelle Paare. Kaska Hass schneidert allen ihre Kleider auf den Leib. Zwischen 1200 und 1300 Euro muss man für ein Kleid oder einen Anzug rechnen. Das Geschäft läuft gut.

Die Genossenschaft aber muss sparen. Jedes Jahr gehen 270.000 Euro Zinsen an die Bank. Mitte 2011 läuft die Unterstützung der Stadt aus. "Wir haben schon schlimmere Krisen gemeistert", sagt von der Bey. Die Frauen haben kämpfen gelernt. Sie müssen es häufiger tun als die Beamten, die draußen gelangweilt ihre Runden ziehen.