Glücklich untergekommen: beate Helmus-Kegel lebt seit zwei Jahren in der Caritas-Frauenpension, die 20-jähirges Bestehen feiert Foto: Max Kovalenko

Ein Dach überm Kopf, Sicherheit, Betreuung, Ruhe und viel Freiheit: Das finden bisher wohnungslose Frauen in der Frauenpension der Caritas. Freilich nur mit einigem Glück, denn die Warteliste in der Einrichtung, die jetzt 20-jähriges Bestehen feiert, ist lang.

Stuttgart - Beate Helmus-Kegel lebt seit zwei Jahren in dem Haus in Bad Cannstatt. Die 50-Jährige ist eine von 54 Frauen, die hier ein Unterkommen gefunden haben und darüber mehr als glücklich sind: „Ich fühle mich hier sehr wohl und sicher“, strahlt sie. Diese Sicherheit und vor allem ihre Bleibe „zu Hause im Unterland“ habe sie nach dem Tod ihres Mannes vor vier Jahren verloren. Nun genieße sie es, nicht mehr allein zu sein.

Warum verlieren Frauen ihre Wohnung? Es seien immer die gleichen Gründe, und sie fänden sich auch in den Biografien der hiesigen Bewohnerinnen wieder, erklären Maria Nestele, die Leiterin des Hauses, und Maria Hassemer-Kraus, die Geschäftsführerin der zentralen Frauenberatung und Koordination der Hilfen für wohnsitzlose Frauen in Stuttgart: „Gewalt, sexueller Missbrauch, Langzeitarbeitslosigkeit, Schulden und der Absturz in die Sucht.“ Viele der Frauen seien schwer traumatisiert und psychisch krank. Und manche sähen, nickt Nestele, leider gar keine Perspektive mehr.

„Diese Frauenpension war vor 20 Jahren eine innovative Einrichtung, und sie hat sich bestens entwickelt“, stellt Manfred Blocher, Bereichsleiter Armut, Wohnungsnot und Schulden beim Caritasverband Stuttgart, fest. Die Unterkunft wird für die meisten vom Jobcenter finanziert. Entscheidend ist dabei das Stichwort niederschwellig, das Maria Nestele erklärt: „Keine hohen Bedingungen, um aufgenommen zu werden, und kein zeitliches Limit für die Verweildauer.“ Von den Frauen werde nur verlangt, dass sie sich, was Körperpflege und den täglichen Einkaufsbedarf angeht, selbst versorgen können. Dass kein Hausverbot gegen sie vorliegt, dass sie sich an das Verbot jeglicher Gewalt halten, zwischen 22 Uhr nachts und 9 Uhr morgens keinen Besuch bei sich aufnehmen und nicht dealen. Vom Konsum ist nicht die Rede: „Wir sind weder ein trockenes noch ein cleanes Haus“, sagt Maria Nestele lapidar. Geraucht werden darf sowieso. „Die Frauen werden in Ruhe gelassen“, so Maria Nestele. Das Betreuungsprogramm mit Suchtsprechstunde, Psychotherapie, Konflikttraining oder Kunstwerkstatt hat jedoch dennoch oder gerade deshalb bei den Frauen eine hohe Akzeptanz.

2013 wurden in Stuttgart 1478 Frauen ohne Wohnsitz gezählt, im ganzen Land waren es 2934. „Diese Zahlen“, so Maria Hassemer-Kraus, „zeigen nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt daneben noch unzählige weitere Frauen, die am Rande ihrer Existenz leben.“ Dabei wird die Aussicht auf Wohnraum für diese Klientel laut Blocher immer schlechter: „Die Stadt verliert im Jahr bis zu 400 Sozialmietwohnungen.“ Von 32 000 seien noch 16 000 übrig, weil die Wohnungen aus der Sozialbindung herausfallen und der Neubau nur stockend vorangehe. Doch die Caritas belässt es nicht bei Klagen: Ebenfalls in Bad Cannstatt soll schon im nächsten Jahr eine zweite Frauenpension mit 24 Plätzen eröffnet werden,während das Haus im Veielbrunnenweg generalsaniert und auf den Stand modernen Komforts gebracht wird. Die Stadt, die für die personalintensive Betreuung aufkommt und deren verlässliche Kooperation Blocher rühmt, hilft bei der Finanzierung, als Sponsor für das Betreuungsprogramm springt die Vector-Stiftung ein.

„Es ist wenig Bewegung im Haus“, bekennt Maria Nestele auf die Frage nach der durchschnittlichen Verweildauer der Bewohnerinnen, die meist mit 381 Euro, dem Satz des Arbeitslosgelds II, auskommen müssen. Es gibt auch glückliche Neustarts in ein Leben mit Mann und Kind in den eigenen vier Wänden. Aber sie sind die Ausnahme. Beate Helmus-Kegel jedenfalls trägt sich nicht mit Umzugsgedanken. Wohin auch?