Seit Anfang dieses Jahres gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Frauenquote für börsennotierte Unternehmen. Foto: dpa

Die Politik drängt – seit Anfang des Jahres gibt es eine Quote für Frauen in Aufsichtsräten. Die Offenheit für eine Chefin wächst, doch ein höherer Frauenanteil ist kein Selbstläufer.

Stuttgart - Die neue Führungskraft ist weiblich – und, glaubt man den Entscheidern in führenden Unternehmen, sogar sehr erwünscht. Unabhängig von der neuen gesetzlichen Frauenquote in Aufsichtsräten haben sich viele Unternehmen selbst verpflichtet, einen gewissen Anteil an Frauen in Führungspositionen zu haben. „Wenn da eine Stelle neu zu besetzen ist, dann sagen manche Firmen direkt, dass sie sich eine Frau wünschen“, ist Marion Plocher aufgefallen – verstärkt in den letzten zwei Jahren. Sie ist Gesellschafterin bei der Personalvermittlungsagentur Division One und berät Firmen der Automobilindustrie bei Personalentscheidungen in der Führungsebene.

Gerade bei Ingenieurstellen oder im Bereich der Naturwissenschaften ist das nicht einfach: Zum einen gebe es nicht so viele Frauen, die Mint-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, studiert haben – unter den Ingenieuren sind es zum Beispiel nur 22 Prozent. Zum anderen sei die Ingenieurschmiede noch immer eine Männerdomäne, meint Plocher. „Im kaufmännischen Bereich oder im Bereich Finanzen und Personal nimmt der Frauenanteil aber zu.“ Insgesamt vermittele Division One in der Automobilbranche durchschnittlich etwa 15 bis 20 Prozent Frauen.

Frauenanteil in technischen Berufen insgesamt steigt

Der Frauenanteil in den Mint-Berufen insgesamt steigt laut der Bundesagentur für Arbeit langsam an, jedoch mit 14 Prozent der 7,3 Millionen Mint-Beschäftigten (Stand 2013) deutlich unterdurchschnittlich. In der Bringschuld sieht Marion Plocher auch die Unternehmen: Sie müssten den Arbeitsplatz für Frauen attraktiver gestalten, etwa mit flexiblen Arbeitszeiten und einem Betriebskindergarten. Denn noch immer sei es für Frauen schwierig, Kinder und Karriere zu verbinden.

Teilzeit, Homeoffice, Betriebskindergarten – das sind für viele große Unternehmen aber schon heute keine Fremdwörter mehr. Für die Karriere will Bosch Mitarbeiterinnen mit speziellen Mentoringprogrammen, Netzwerken und Seminaren unterstützen. Und Thyssen-Krupp wird insbesondere bei der Nachwuchsplanung seiner Top-Führungskräfte künftig gezielt auf weibliche Mitarbeiter schauen.

Soweit das offizielle Programm. Hinter vorgehaltener Hand sprechen Branchenkenner aber auch von Problemen. Davon, dass viele gehobene Positionen noch immer über Kontakte vergeben werden und dass Frauen in männerdominierte Netzwerke nicht hineinfinden – zum Beispiel, weil sie abends ihr Kind ins Bett bringen, während die Kollegen noch ein Bier trinken gehen. Oder davon, dass die Planung mit einer Teilzeit-Führungskraft kompliziert ist, weil Termine am späten Nachmittag etwa nicht machbar sind. Teilzeit-Führungskräfte führten überdies manchmal zu Unmut, weil die Vorgesetzte weniger arbeite als ihre Mitarbeiter. Ähnliche Vorbehalte gibt es beim Homeoffice. Marion Plocher kann das nicht nachvollziehen. „Wenn jemand erfolgreich sein kann und will, wird er das auch im Homeoffice oder in Teilzeit tun.“

Firmen setzen zunehmend auf gemischte Teams

Grundsätzlich tue eine gesunde Mischung aus Männern und Frauen jedem Unternehmen gut, da ist sich Marion Plocher sicher. Frauen seien ausgleichende, geduldige und empathische Organisationstalente; Männer direkt und klar, „sie denken und handeln rational und gehen problemlösend vor“. Doch dass das bereichert, das müsse sich erst noch durchsetzen.

Da könne die Frauenquote als Beschleuniger wirken, für Marion Plocher ist sie aber „suboptimal. Wenn ich 2016 im Vorstand eingestellt würde – ich würde mich als Quotenfrau fühlen.“ Es wäre besser, das Umdenken in den Firmen käme von innen, doch so sei die Quote wenigtens eine Starthilfe. „Jetzt kommt es drauf an, welche Chancen man den Frauen gibt und wie sie diese nutzen.“