Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat Emmanuel Macron die meisten Stimmen geholt – und zieht nun gegen Marine Le Pen in die Stichwahl. Foto: AP

Bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich hat Emmanuel Macron die meisten Stimmen geholt – und zieht nun gegen Marine Le Pen in die Stichwahl. Macron hat nun beste Chancen, Präsident zu werden, kommentiert Rainer Pörtner.

Stuttgart - Frankreich durchlebt revolutionäre Veränderungen. Seit Gründung der Fünften Republik vor rund 60 Jahren machten zwei Parteien unter sich aus, wer das Land regiert. Mal stellten die Sozialisten, mal die Konservativen den Präsidenten – andere politische Kräfte hatten keine Chance. Nun gehen zum ersten Mal zwei Kandidaten in die Stichwahl um die Präsidentschaft, die beide nicht zu den traditionellen Lagern gehören. Das Volk hat den alten Eliten die Rote Karte gezeigt. Unabhängig davon, ob nun Emmanuel Macron oder Marine Le Pen am Ende in den Élysée-Palast einzieht, bedeutet bereits dies einen Umsturz der bestehenden Verhältnisse – mit unabsehbaren Folgen für die künftige Regierungspolitik und die institutionelle Stabilität Frankreichs.

Entscheidung zwischen Nationalismus und Weltoffenheit

Wie ihrem Vater Jean-Marie im Jahre 2002 ist es Marine Le Pen gelungen, in der ersten Wahlrunde ein hervorragendes Ergebnis zu holen – ein Triumph für den rechtsextremen Front National. Mit dem Duell Le Pen gegen Macron müssen sich die Franzosen nun entscheiden zwischen Nationalismus und Europa, zwischen Abschottung und Weltoffenheit, zwischen Fremdenfeindlichkeit und Liberalität.

Vorteil für Macron in der Stichwahl

Vater Le Pen wurde vor fünfzehn Jahren in der zweiten Runde mit 18:82 Prozent klar vom Amtsinhaber Jacques Chirac geschlagen. Es war das beste Ergebnis, das jemals ein Präsidentschaftskandidat in Frankreich erreichte. Vergleichbares dürfte der 39-jährige Macron, der erst vor einem Jahr seine Bürgerbewegung En Marche! ins Leben rief, nicht schaffen. Aber vieles spricht dafür, dass sich eine klare Mehrheit der Franzosen hinter den ehemaligen Sozialisten stellt, der für eine sozialdemokratische Reformpolitik steht. Wenn es so kommt, dürfen alle aufatmen, die an einem guten Zusammenleben in Europa interessiert sind.

rainer.poertner@stzn.de